Die Industriebahn Küchwald – Wüstenbrand (Teil I)

Zum Geleit

Im Folgenden dreht es sich um eine sächsische Nebenbahn. Unscheinbar, und von den meisten unbeachtet, verlief sie entlang der Hinterhöfe und durch Waldgebiete. Ihr Zweck waren der Gütertransport und die strategische Umleitungsreserve. Auf manchen Landkarten war sie gar nicht abgebildet. Ihrer Daseinsberechtigung beraubt, soll die Trasse künftig Radfahrenden dienen.

In dieser Beitragsreihe werden alle markanten Punkte der Strecke, im Wandel der Zeit, vorgestellt. Der Tod gehört zum Leben! Von daher soll auch dem Gleisabbau ein abschließendes Kapitel gewidmet werden.

Etwas Streckengeschichte

Bei der „Chemnitzer Industriebahn“, welche vom Bahnhof Küchwald über Chemnitz-Altendorf und Grüna oberer Bahnhof nach Wüstenbrand führt, handelt es sich genau genommen um zwei verschiedene Strecken:

Die ersten 11,6 Kilometer befinden wir uns auf den Gleisen der am 17. Dezember 1903 in Betrieb genommenen Güterzugstrecke Küchwald – Obergrüna (Abzweig Schützenhaus). Ihre Aufgabe war die Anbindung zahlreicher Fabriken im Pleißenbachtal sowie der Ortschaften nordwestlich von Chemnitz – Borna, Schloßchemnitz, Altendorf, Rottluff und Niederrabenstein – an die „große weite Welt“. Die als CO-Linie bezeichnete Nebenbahn diente ausschließlich dem Güterverkehr. Sie war, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich, großzügig trassiert. Bis auf einzelne Waldwege gab es keine niveaugleichen Wegübergänge. Das Gleis führte über hohen Bahndamm oder durch Einschnitte. Straßen wurden mittels Gewölbebogen über- oder unterquert. Für den Abschnitt Küchwald – Chemnitz-Altendorf erwarb man Grundstücke großzügig, um sich die Option einer späteren Zweigleisigkeit offen zu halten. Zahlreiche Gleisanschlüsse sorgten bis in die frühen 1990er-Jahre für umfangreichen Übergabeverkehr.

Die übrigen 3,6 Kilometer bis Wüstenbrand sind Teil der 1897 eröffneten Linie Limbach (Sachs) – Wüstenbrand (LWd). Hier gab es bis 1950 auch Personenverkehr. Seither bilden die Strecken eine betriebliche Einheit: CO + LWd-Rest = CWd, könnte man es auf den Punkt bringen. Die Kilometrierung zwischen Grüna und Wüstenbrand passte man jedoch erst Jahrzehnte später an.

Durchgangsverkehr war nur zu Umleitungszwecken üblich. So beispielsweise nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges in der Chemnitzer Innenstadt oder in den 1960/70er-Jahren während Bauarbeiten auf der parallel verlaufenden DW-Linie (heutige KBS 510).

Ab 1990 ging das Güterverkehrsaufkommen auch hier drastisch zurück. Der letzte Anschließer in Altendorf wechselte im Jahr 2000 auf die Straße. Zwischen Sommer 1997 und 27. Mai 2000 gab es täglich Ganzzugverkehr mit Kohle-, Gips-, Kalk- und Aschezügen für das Heizkraftwerk Chemnitz-Nord II. Anschließend herrschte Betriebsruhe (bis auf wenige Ausnahmen 2001-2003).

Die „Hausstrecke“

Was ist eine Hausstrecke?
Die Eisenbahn, welche durch die unmittelbare Heimat führt, nahe am Elternhaus vorbei, wird unter Eisenbahnfreunden umgangssprachlich als „Hausstrecke“ bezeichnet. Für viele ist sie stark identitätsstiftend, verbunden mit vielen Kindheitserinnerungen auch emotional von größerer Bedeutung. Alles was auf der Hausstrecke rollt, wird umfassend dokumentiert und prägt sich in’s Gedächtnis ein. So ist es natürlich nicht bei jedem. Viele haben sich einer bestimmten Lokbaureihe verschrieben, und sind selten „vor der Haustür“ aktiv. Andere sind im ganzen Land unterwegs – jeder wie er mag!
Für mich haben schon immer die regionalen Strecken Priorität gehabt. Dabei geht es mir nicht nur um Fahrzeuge, sondern um die Eisenbahn als Ganzes mit all ihren Begleiterscheinungen.

Ich selbst habe die 1990er-Jahre auf der CWd-Linie noch bewusst erleben können. So konnten nahezu alle etablierten DR-Diesellokbaureihen noch am Scheitelpunkt unterhalb der Leipziger Straße am Crimmitschauer Wald sowohl akustisch als auch optisch genossen werden. Besonders in Erinnerung sind die wochentags verkehrenden Übergaben nach/von Altendorf mit V 60 (BR 344-346) geblieben, welche ganz unterschiedlich ausgelastet waren. Fcs- oder Es-Wagen mit Kohle und zweiachsige blaue Kesselwagen für den Brennstoffhändler an der Beyerstraße waren fast immer dabei. Der unvergleichliche V 60-Sound in der Steigung, das dreimalige Erschallen des Typhons im Crimmitschauer Wald und die optische Erscheinung der goldgelben V 60 wurden zur persönlichen Sinfonie. Anfang der 1990er-Jahre dampften hier auch die damals noch reichhaltig vorhandenen betriebsfähigen Museumsloks in schöner Regelmäßigkeit vorbei, u. a. 38 205, 50 849, 50 3616, 58 3047 und 86 1333.

Streckenbeschreibung

Küchwald Zweigstelle / Bf Küchwald / seit 12/2018: Chemnitz Küchwald (km 0,0 CO/CWd/KCCh; km 58,55 KC; km 24,95 WbC)

Der Bahnhof Küchwald ist bereits in diesem Beitrag näher vorgestellt worden. Der offizielle Nullpunkt unserer Strecke befindet sich nicht an der Abzweigweiche, sondern bahnhofsmittig, in Höhe des 2018 errichteten Haltepunktes. Die Hektometertafel „0,0“ war bis 2021 vorhanden. Sie markierte zugleich diametral den Anfang der Verbindungsstrecke zum Rangierbahnhof Chemnitz-Hilbersdorf (KCCh-Linie).

[1] Starten wir unsere Reise von Küchwald über Chemnitz-Altendorf nach Wüstenbrand mit einer standesgemäßen Parade: 232 450 wartet mit dem leeren Kohlependel gen Wüstenbrand auf Ausfahrt, 346 756 erholt sich vom Übergabeverkehr und 204 857 hat einen Hilfszug zur Rettung einer entgleisten Baumaschine hinter sich. Planmäßig kam die 204 seinerzeit als Schublok am Gips auf die Strecke. Die heute bei MTEG/PRESS existente 346 756 ist eine Zweitbesetzung, das Original fiel dem Schneidbrenner zum Opfer.
[2] Diese Draufsicht zeigt die direkte Gleisverbindung von KC/KCCh in Richtung Wüstenbrand (CWd) und Wechselburg (WbC) im Zustand von 1991 bis 2006. Drei Gleise führen links gen Geithain/Leipzig, eines nach Wüstenbrand, eines nach Wechselburg, und unmittelbar vor dem Befehlstellwerk 1 zweigt noch ein ca. 300 m langes Ausziehgleis ab.
[3] Im Frühjahr 2001 zeigt sich die Gleiskreuzung in Höhe Befehlstellwerk 1 nochmals frisch saniert. Die V 100, 204 607, pausiert unmittelbar vor der Abzweigweiche nach Wüstenbrand.
[4] Der Blick aus Richtung Wüstenbrand auf den Küchwald-Bahnhof im April 2002. Mit der Inbetriebnahme des neuen Stellwerks (1991) änderte sich der Gleisplan, mal wieder. Gut zu erkennen: Eine direkte Gleisverbindung zu den tiefer liegenden Gleisen der Anschlussbahn gibt es nicht mehr. Fahrstraßen nach Altendorf/Wüstenbrand waren seither nur von den drei höher liegenden Gleisen (und den drei Streckengleisen KCCh/KC weiter rechts) möglich. Wurden die Ganzzüge dennoch auf den Anschlussgleisen „tief“ bereitgestellt, waren Sägezahnfahrten in Richtung Glösa (WbC) oder Borna Hp (KC) notwendig. Dies konnte mehrmals beobachtet werden.
[5] 204 605 wartet auf dem CWd-Gleis am 1. Dezember 2003. Die Abzweigweiche befand sich in km 0,58 CWd.
[6] Parkende V 100 an dieser Stelle waren keine Seltenheit. Am 21. April 2006 könnte es aber das letzte Mal gewesen sein, als Lok Nr.4 der AHG (ex-DR-V 100 067) kurz auf der CWd parkte. Ein Schwellenkreuz in Höhe Rangierhalttafel (Ra 10) markiert kein Weiterkommen.
[7] Am 30. Oktober 2006 war die in [2] und [3] gezeigte Gleisanbindung frisch zurückgebaut. Der Blick in Richtung Wüstenbrand/Wechselburg zeigt, auch zwischen den Weichen von CWd und WbC ist ein Stück Gleis herausgetrennt worden.
[8] Am 30. Oktober 2006 war man dabei, die in [2] und [3] gezeigte Gleiskreuzung zurückzubauen. Blick in Richtung Chemnitz Hbf/-Hilbersdorf. Vom Rückbau betroffen war auch das Streckengleis der CWd km 0,0 bis 0,57 sowie das in [1] sichtbare rechte Gleis (wo 204 857 stand).
[9] Von der Strecke nach Wechselburg ist noch heute ein Reststück bis Chemnitz-Glösa/-Furth als Anschlussbahn in Betrieb. 260 312 befuhr diese im Februar 2018. Die seit 10/2006 funktionslose Verbindungsweiche zur CWd/KC/KCCh ist wenige Wochen zuvor ausgebaut worden. Die Wüstenbrander Strecke verendet rechts im Nichts.

Chemnitz-Borna

[10] Diese Luftaufnahme zeigt die CWd zwischen Einfahrsignal und Einfahrvorsignal von Küchwald. In einem stetig steigenden Linksbogen verläuft die Trasse gen Westen. Das Zentrum des Bildes dominiert die 1915 errichtete Stahlformgießerei der Firma Eisengießerei G. Krautheim. Teile des Werks, u. a. die große Halle, sind 2011 abgerissen worden. Die Gießerei hatte einen Gleisanschluss, jedoch zweigte dieser von der WbC ab. Diese schwenkt im Rechtsbogen hinunter in das Chemnitztal nach Furth/Glösa. Im Vordergrund entstand in den 1990er-Jahren eine Formsanddeponie der Stahlgießerei, welche mittlerweile bewaldet ist.
[11] Der nächste Industriekomplex kommt wenig später in Sicht. In Fahrtrichtung Wüstenbrand sehen wir rechts die Knopffabrik Petzold & Mäser, welche 1914 die Produktion aufnahm. Nach umfassender Sanierung in den Jahren 2018/19 birgt das Gebäude nun hochpreisige Lofts. Auf der Freifläche davor entstand eine weitere, unvermeidbare, Eigenheimsiedlung.
[12] Die Wirtschaftswegquerung (km 1,31; 15 m) ist als Gewölbebogen aus Naturstein ausgeführt. Der Zustand im Dezember 2003 lässt auf erst kürzlich vorgenommene Ausbesserungen an Geländer und Mauerwerk schließen. Der überquerte Weg verband die Sandstraße einst mit dem Bauerngut Franke. Rechts im Hintergrund ist das Einfahrvorsignal von Küchwald ersichtlich.
[13] Nun blicken wir vom „Bornaer Berg“ in Richtung Südosten und erkennen links die Stahlgießerei (dahinter das Heizkraftwerk Chemnitz-Nord) und rechts die Knopffabrik wieder. Ein leerer Gipszug rollt auf Küchwald zu. Über der Lok (BR 232) und dem ersten Wagen ist das Befehlstellwerk 1 zu erkennen. Heute würde das frische Rot der fabrikneuen Selbstentladewagen (Talns 969) auch in laubloser Jahreszeit kaum noch durchschimmern.
[14] Der Zwickauer Traditionszug, geführt von der Chemnitz-Hilbersdorfer 50 3616, ist am 13. Juli 1991 in km 1,4 CWd gen Westen unterwegs. 1993 ist die Maschine von der Deutschen Reichsbahn an den VSE verkauft worden. Rechts ist ein Einfahrvorsignal der KC-Linie zu sehen. Die Inbetriebnahme des neuen Stellwerks steht kurz bevor.
[15] Im Frühjahr 2000 hatten der Baumbewuchs und die Halde schon merklich zugenommen. Zwei 232er bringen den leeren Kohlependel nach Profen. Links ist das Hochhaus des VEB NUMERIK, unweit des Bf Chemnitz-Glösa (WbC), zu sehen.

Kreuzungsbauwerk KC-Linie / KBS 525 (km 1,48 CO/CWd / km 57,19 KC)

[16] Ein Kohlenzug, bespannt mit zwei 232ern, quert die KBS 525 am 23. Dezember 1998. Rechts ist wieder die Knopffabrik zu sehen.
[17] 7. Mitteilungen aus dem „Blankenauer Grund“ (2006), Seite 6
[18] Schauen wir uns das Überschneidungsbauwerk aus der Nähe an: Am rechten Bildrand erkennt man gut die Reste des originalen Mauerwerks aus Naturstein. 232 259 rollt mit einer Schwester ohne Last gen Küchwald, am 21. April 2000.
[19] Wir schreiben den 17. Dezember 2003, den hundertsten Jahrestag der Streckeneröffnung Küchwald – Obergrüna. Es dämmert. Das Küchwalder Einfahrvorsignal zeigt Halt erwarten. Zum Zeitpunkt der Aufnahme befand sich noch ein Arbeitszug auf der Strecke.
[20] Dieselbe Stelle 16 Jahre später. Zwischen km 0,58 und 1,5 CWd lässt DB Netz die Gleise liegen. Mit der näher rückenden Elektrifizierung der KC-Linie sind die Tage der Brücke gezählt.
[21] Eine vorige Trassenplanung sah den Abzweig der CO/CWd von der KC in Höhe des Küchwalder Einfahrsignals vor. Die Kreuzung mit der Mittelstraße (heute Wittgensdorfer Straße) wäre an der geplanten Stelle niveaugleich erfolgt.
[22] Die schließlich realisierte Variante von 1903. Sowohl die KC-Linie als auch die Mittelstraße (heute Wittgensdorfer Straße) werden mittels Brücke überquert.

Viadukt Borna / EÜ Wittgensdorfer Straße (73 m; km 1,69 CO/CWd)

Das Viadukt befindet sich in Fahrtrichtung Wüstenbrand in einem Linksbogen. Es besitzt einen kleinen, sieben mittlere (lichte Weite je 5,46 / 6,00 m) und einen großen Bogen (13,12 m Spannweite), welcher die Mittelstraße, heute Wittgensdorfer Straße, überspannt.

[23] Diese Aufnahme vom April 1978 zeigt das komplette neunbogige Bauwerk, das gerade von einem umgeleiteten Güterzug Richtung Zwickau befahren wird. Vorspannlok ist die heute noch aktive 110 101. Das Interesse des Fotografen galt seinerzeit eher der Zuglok 50 1158. Der zweite Bogen von rechts ist mit sechs Metern lichter Weite etwas breiter als die anderen.
[24] Der Zwickauer Traditionseilzug war in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre regelmäßiger Gast auf der Industriebahn. Hier zieht der sächsische Rollwagen, 38 205, den Zug über das Bornaer Viadukt (6/1992). Der Wartburg des Fotografen steht im Vordergrund.
[25] Ein Kohlenleerzug donnert am Nachmittag des 6. April 2000 über die Bornaer Brücke. Rechts sieht man die gepflasterte Zufahrt zur ehemaligen Ladestelle.
[26] Die Beseitigung einiger Bäume auf der Südseite ermöglichte ab 2018 seit vielen Jahren wieder einen guten Blick auf das gesamte Viadukt. Das Brückengeländer hat jedoch durch die Rodung arg gelitten.

Borna (b. Chemnitz) Ladestelle / Chemnitz-Borna Ldst (km 1,86 CO/CWd)

  • vier parallele Gleise (inklusive Streckengleis), zwei Stumpfgleise, Lademaß
  • Güterschuppen/Abfertigungsgebäude (150 m²)
  • Anfang 1970er-Jahre: Umwandlung in Anschlussstelle, Änderung des Gleisplans (Expansion ERMAFA-Gelände)
  • 1974: vormontierte 45-47 m lange Binder für die neue Karl-Marx-Städter Bahnhofshalle werden vom Stahlbau Dessau per Culemeyer-Straßenroller angeliefert, hier gestrichen und auf dem Schienenwege ans Ziel gebracht
  • 1997: Ausbau der Weichenanbindung Nebengleise (Ladestraßenbereich)
  • Frühjahr 2000: Rückbau der Nebengleise (Ladestraßenbereich)
[27] Im Sommer 1998 befand sich der Güterschuppen noch nahezu im Ursprungszustand und beherbergte einen Getränkehandel. Mit dem Wechsel des Eigentümers erfuhr das Gebäude ab 2002 Erweiterungen, u. a. eine zusätzliche Etage im Bereich des Sozialtrakts. Da das Ermafa-Werksgelände sich weiter nach rechts ausdehnte, wanderte auch das Streckengleis in den 1970er-Jahren an den GS heran.
[28] Seit 2010 erstrahlt der Güterschuppen in neuem Glanz. Jüngst hat man den ehemaligen Laderampenbereich für einen Anbau vereinnahmt. Mit dem SKL 25 LK kam im November’19 letztmals ein Schienenfahrzeug hier vorbei.
[29] Ostern’95 fiel recht feucht aus. Dennoch warteten Vater und Sohn unverdrossen „vor der Haustür“ auf den VSE-Sonderzug. Aufgrund unbekannter Verspätung erwies sich das als arges Geduldsspiel. Als man schon auf dem Heimweg war, ertönte die Dampfpfeife von 50 3616 doch noch im Crimmitschauer Wald. Im Gegensatz zu [14] besitzt die Lok nun einen Altbautender. Neben dem modischen Regencape des Autors fallen auch die beiden Gleise auf. Das rechte Nebengleis hat man, ohne Schotter, teils auf der Ladestraße verlegt. Dort standen bis 1993 Bauzugwagen der Bahnmeisterei. Davon sind leider keine Fotos bekannt.
[30] An einem Werktag im April 1996 bringt die gepflegte 346 526 drei Fcs-Wagen vom Kohlenhändler an der Beyerstraße nach Hilbersdorf. Die Weichenanbindung der beiden Abstellgleise besteht noch. Allerdings werden diese schon seit Jahren nicht mehr genutzt.

Anschluss C. G. Haubold jr. / VEB ERMAFA (km 1,85 CO; später: km 2,02 CWd)

Carl Gottfried Haubold (1792-1862) war ein Cousin von Carl Gottlieb Haubold (1783-1856), und gründete 1837 den Maschinenbaubetrieb C. G. Haubold jr. im Areal der heutigen Ermafa-Passage. Es war der erste Maschinenbaubetrieb in Chemnitz. Daraus leitet sich das Akronym „ERMAFA“ (Erste Maschinenfabrik) als späterer Firmenname ab. Die Geschäftsführung entschied sich 1913 für einen Gießereineubau mit einer Halle von ca. 8000 m² im Stadtteil Borna. Das Herzstück des Schmelzbetriebes bildeten drei Kupolöfen von Krigar. Einer aus der Gründungszeit von 1913/14 blieb bis heute als technisches Denkmal erhalten. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg verfügte das Werk über eine Rangierlok mit Verbrennungsmotor und Stangenantrieb (Fabrikat unbekannt).

  • 1997: letzte Bedienung
  • Frühjahr 2005: Rückbau Anschlussgleise außerhalb Werkszaun (exklusive Anschlussweiche A1)
[31] 106 9304 der ITL hat mit dem Fcs-Zug im Crimmitschauer Wald Gleise eingeschottert und ist soeben nach Borna zurückgerollt. Links zu sehen ist die Anschlussweiche A1, welche in Schlüsselabhängigkeit mit Weiche A2 (rechts) stand. Dahinter sieht man die mittels Gleistor gesicherte Werkszufahrt. Nach einer Spitzkehre gelangte man zu den Werksanlagen. Im Vordergrund liegt das stumpf endende Zuführungsgleis A1. In seiner Lage befand sich vor 1970 das Streckengleis.
[32] Im Werksgelände der ERMAFA-Gießerei existieren noch einige Gleisreste. In Bildmitte ist der Werklokschuppen zu sehen. Links erkennt man die Zufahrt über die Burgstädter Straße.
[33] Als Rangiergerät stand dem VEB ERMAFA Karl-Marx-Stadt in Borna eine eigene Werklok vom Typ V 10 B zur Verfügung. Dabei handelte es sich um LKM Nr. 252462 (Bj. 1966), welche seit 1999 in Chemnitz-Hilbersdorf zu Hause ist.
[34] Am km 2,3 CWd überquert eine Fernwärmeleitung die Bahn. Der Zweiwegebagger verheißt nichts Gutes für die Zukunft der Gleise.

SÜ Leipziger Straße / B 95 (km 2,52 CO/CWd)

Erste Projektierungen sahen einen Scheiteltunnel an dieser Stelle vor. Um Kosten zu sparen, verzichtete man darauf, und nahm eine höhere Steigung (1:70 statt 1:80) in Kauf. 1902 bis 1997 war die Straßenbrücke als Gewölbebogen ausgeführt. Davon sind mir leider keine Nahaufnahmen bekannt.

[35] An einem Aprilabend des Jahres 1978 unterqueren 110 102 und 50 2740 mit einem umgeleiteten Güterzug die damalige F 95. Im Hintergrund ist die in [34] von Nahem gezeigte Rohrbrücke zu sehen.
[36] 1997 versah man das Brückengeländer des Neubaus beidseitig mit diesen aussagekräftigen Hinweistafeln. Beim Blick hinunter zu den Schienen ist das Planum für ein zweites Gleis gut zu erkennen.

„Durch den Crimmitschauer Wald“

Die Bahn durchquert den Crimmitschauer Wald in einem langgezogenen Linksbogen. Zwischen den beiden niveaugleichen Wegübergängen wird der Ratsbach überquert. Der Wald verdankt seinen Namen mutmaßlich dem Abt des Benediktinerklosters auf dem Schloßberg, Ulrich von Crimmitschau (14. Jh).

BÜ Anton-Ohorn-Steig (km 2,8 CO/CWd)

[37] An einem Wochenende Mitte 1993 war der Traditionseilzug einmal wieder, auf dem Weg von Zwickau nach Chemnitz, in Wüstenbrand links abgebogen. Meine kleine Schwester und ich verfolgten gespannt die Vorbeifahrt von 50 849, während der Vater den Auslöser betätigte. Meine größere Schwester wartete hier auch manchmal unfreiwillig auf Züge, denn sie musste den kleinen Bruder an manchem Ferientag zum „V 60 gucken“ sicherheitshalber begleiten. Zur Sicherung des Übergangs genügten zwei Warnkreuze damals völlig.

BÜ Erlengrundweg (km 3,03 CO/CWd)

[38] Die V 60 war in den 90ern nicht wegzudenken. An einem Frühjahrstag 1993 mühte sich der „Goldbroiler“ 346 210 mit einem Arbeitszug der Bahnmeisterei von Altendorf nach Borna hinauf. Im Hintergrund sieht man ein Schwesternwohnheim und Teile des Krankenhauses an der Flemmingstraße.
[39] Ein ähnlicher Standpunkt am 7. Dezember 1997. 50 3648 pendelte anlässlich „100 Jahre Limbach – Wüstenbrand“ zwischen Wüstenbrand und Chemnitz Hbf.
[40] Zur Minimierung des Unfallrisikos wurden die beiden Wegübergänge (und ein weiterer in Niederrabenstein) 1998 mit Geländern versehen. Am Erlengrundweg war es im April 2006 noch vorhanden (Blickrichtung Küchwald).

Anschluss Krankenhaus (km 3,2 CO/CWd)

Der von Leipziger Straße, Bürgerstraße und CO-Linie umgebene Krankenhauskomplex entstand 1911 bis 1915. Von da an diente der Gleisanschluss der Kohleversorgung des Kesselhauses. In Fahrtrichtung Wüstenbrand zweigte das Gleis nach links ab und überquerte den Krummer Weg auf einer kleinen Brücke. Es gab am Endpunkt zwei Stumpfgleise, eines davon führte direkt in das Kesselhaus. Die Anschlussweiche wurde im Mai 1972 ausgebaut.

[41] Die Zugspitze der Übergabe nach Altendorf befindet sich in Höhe der einstigen Anschlussweiche zum Krankenhaus Küchwald. Im April 1996 wird offenbar gerade der Oberbau erneuert. Die Weiche war aber damals schon seit 24 Jahren ausgebaut.
[42] Im Frühjahr 1997 existierten noch viele Relikte des Krankenhaus-Anschlusses. Links endete das Schutzgleis am Prellbock, während rechts die Trasse zur Strecke verläuft. Das Streckengleis erkennt man links oberhalb der Fernwärmeleitung, welche den Bahndamm des Anschlusses unterbricht. Von den beiden Weichen lag noch ein Herzstück (kleines Bild).
[43] 1999 wichen diese Reste einer neuen Straßenverbindung zwischen Bürgerstraße und Flemmingstraße für Krankentransporte. Ungefähr in Lage des Schutzgleises führt die Neubaustraße anschließend auf einer Betonbrücke über die CWd.

BÜ Zufahrt Kleingartenverein Waldesrauschen e.V. (km 3,6 CWd)

[44] Der Gleiskörper samt Bahnübergang und Beschilderung im April 2006, Blickrichtung Küchwald.
[45] Eine ähnliche Perspektive im Februar 2018. Die Natur gewährt nur noch einen schmalen „Trampelpfad“.
[46] Die Dampfsonderreisezüge anlässlich 100 Jahre LWd-Linie am ersten Dezemberwochenende 1997 sind sicher vielen Eisenbahnfreunden noch in guter Erinnerung. Bei schönem Winterwetter erwartete Mathias Reips den Zug nach Wüstenbrand am Bahnübergang unweit des Schrebergartens seiner Eltern/Großeltern. Links im Hintergrund ist das Neubaukrankenhaus an der Flemmingstraße erkennbar.
[47] Das Krankenhaus erhielt in den 2000er-Jahren einen gläsernen Anbau am Südgiebel. Auch das Schwesternwohnheim zeigt sich rekonstruiert.

Abkürzungsverzeichnis

BÜ = Bahnübergang
CO = Strecke Küchwald – Obergrüna
CWd = Strecke Küchwald – Wüstenbrand
DW = Strecke Dresden – Werdau
EÜ = Eisenbahnüberführung
GS = Güterschuppen
KBS = Kursbuchstrecke
KC = Strecke Neukieritzsch – Chemnitz Hbf
KCCh = Strecke Küchwald – Chemnitz-Hilbersdorf Rbf
Ldst = Ladestelle
LKM = VEB Lokomotivbau Karl Marx Babelsberg
LWd = Strecke Limbach (Sachs) – Wüstenbrand
MTEG = Muldental-Eisenbahnverkehrsgesellschaft mbH
PRESS = Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH
SLUB = Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
SÜ = Straßenüberführung
VEB = Volkseigener Betrieb
VSE = Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde e.V.
WbC = Strecke Wechselburg – Küchwald

Danksagung

Folgende Personen haben durch Fotos, Informationen etc. zum Gelingen der CWd-Beitragsreihe beigetragen:
Siegfried Bergelt
Thomas Böttger
Volker Dornheim
Heinz Finzel (†)
Thomas Hälsig
Stephan Häupel
Matthias Hengst
Marco Heyde
Sylvio Köstner
Patrick Lohse
Paul Mädler „lokpaul“
André Marks
Andreas Matschke
Thomas May
Günter Meyer (†)
Dr. Manfred Meyer
Ronny Meyer
Ronny Preußler
Hans-Dieter Rändler
Mathias Reips
Lothar Schilde (†)
Klaus-Dieter Schumacher
Dirk Schüttler
Felix Seraphin
Steffen Tautz
André „tt-bahner“
Heiko Vogler
Außerdem:
Heimatverein Grüna e.V.
Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
Dafür ein herzliches Dankeschön!

  • Häupel, Stephan (2014): Chemnitz – Obergrüna. In: Machel, Wolf-Dietger (Hrsg.): Neben- und Schmalspurbahnen in Deutschland einst & jetzt. Loseblattsammlung. 104. Ergänzungsausgabe. München: GeraNova.
  • Häupel / Schramm / Viehweger (1998): Nebenbahnen um Wüstenbrand. Nordhorn: Kenning. (vergriffen)
  • Herbach, Jens: https://www.sachsenschiene.net/bahn/str/str121.htm, letzter Abruf: 2022-11-29.
  • MBC (2013): Zwischen Küchwald und Rabensteiner Wald.
  • Schilde, Lothar (2003/2004): 100 Jahre Industriebahn Chemnitz-Küchwald – Obergrüna, Teil 1-4. In: Rabensteiner Blätter. Nr.16-19 (9./10. Jahrgang).
  • Historische Aufnahmen der Bornaer Industrie in: chemnitzgeschichte.de

Sie verfügen über weiteres, bisher unveröffentlichtes Bild- oder Filmmaterial, Anekdoten oder sachdienliche Informationen zur Strecke Küchwald – Grüna ob Bf – Wüstenbrand aus Betriebszeiten (1897-2003)? Dann kontaktieren Sie uns bitte!

Fortsetzung folgt

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Eine Antwort

  1. Marcus Ritter sagt:

    Vielen Dank für die tollen Eindrücke und Erinnerungen und die Erklärungen zu den Fotos der Cwd Linie, Teil 1 und 2.👍👍👍
    Habe als Kind oft im Bahnhof Altendorf der BR 106 beim Rangieren zugeschaut. Die Ludi’s während des Umleitungsverkehr s waren auch eine Augenweide und gut zu hören.

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