Kohle für Chemnitz – die Rolle der Eisenbahn für das Heizkraftwerk Chemnitz Nord, Teil 4: Öl und Säure

Heizöl für Block A

1995 wurde der Dampferzeuger von Block A des HKW Chemnitz Nord II auf eine bivalente Feuerung für Erdgas und leichtes Heizöl umgerüstet. Nördlich des Werkes am Dammweg Ecke Fischweg errichtete man zu diesem Zweck ein Tanklager. Nach einer Havarie im Mai 2016 wurde dieser Block A im Jahr 2017 endgültig stillgelegt. Bis 2019 nutzten noch Privatkunden das Tanklager am Dammweg. Im Herbst 2023 wurde es dem Erdboden gleichgemacht.

[138] SWC 4 wartete im Juni 2003 auf die Entladung einer Kesselwagengruppe. Rechts ist das Heizölreservoir erkennbar.
[139] Bis zu drei Wagen konnten zeitgleich an die Schläuche angeschlossen werden. Nach rund 90 Minuten waren die prüfenden Blicke ins Innere typisch. (April 2010)
[140] Der Blick in Richtung Norden vom BÜ Dammweg aus im Juni 2006. AHG 3 steht mit drei Kesselwagen an der Entladung. Ganz rechts steht eine Leine Falns 165, die dem anschlussbahninternen Aschetransport dienten – mehr dazu in Teil 5.
[141] Winterliches Stillleben am 29. November 2012 in Chemnitz-Furth.

Der Öltransport auf der Anschlussbahn

[142] Nachdem der WbC-Abschnitt Chemnitz-Glösa – Küchwald ab April 2004 zu einer Anschlussbahn degradiert wurde, nutzten die SWC/AHG zur Befahrung der Spitzkehre bei langen Zügen noch den Bahnübergang Bornaer Straße. Beim Wenden eines Leerzuges von Furth nach Küchwald im März 2005 hatte der Rangierer auf der Chemnitzbrücke die Vollschranke mittels Schlüssel bereits wieder geöffnet, ehe SWC 3 den Zug bergwärts drückt. Im Dezember 2007 verkürzte man die Nutzlänge, indem man einen Prellbock vor den Bahnübergang setzte.
[143] Im April 2007 kehrte AHG 4 (V 100 067) aus Cottbus zurück auf die Chemnitzer Anschlussbahn. Soeben hat sie am 21. Mai mit Leerwagen die Chemnitzbrücke am Südkopf des Glösaer Bahnhofs überquert und wird den Fahrtrichtungswechsel nach Küchwald vollziehen. Das Schließen der Schranke war bei dieser Zuglänge nicht notwendig.
[144] Im Oktober 2010 war der Blick auf die Chemnitzbrücke noch relativ frei. AHG 3 wendete mit einer entleerten Garnitur unterhalb der Glösaer St. Jodokuskirche.
[145] Wiederum AHG 3 zog am 18. Februar 2011 die Leerwagen zunächst in einem Zug bis an die Spitzkehre, um sie dann in drei Teilen nach Küchwald zu drücken. Links befindet sich der heute noch vorhandene Gleisanschluss der Firma RAILBETON HAAS GmbH.
[146] Fünf leere Wagen drückte die „Kleine“ 312 021 / AHG 02 am 17. April 2015 nach Küchwald. Im Vordergrund das Ausziehgleis des Bf Küchwald.
[147] Auf dieser Aufnahme vom 17. März 2017 mit der von 346 615 / AHG 5 geschobenen Leergarnitur sind drei Relikte der WbC-Linie dreizehn Jahre nach der Umwandlung in eine Anschlussbahn noch vorhanden: Das Einfahrsignal des Bf Chemnitz-Glösa, die Fernsprechbude und die Hektometertafel.
[148] Auch wenn es für das Foto relativ unentscheidend ist, hier sehen wir eine mit Öl beladene Rangiereinheit. „Dreibein“ 260 312 / AHG 6 bringt den Vollzug in zwei Teilen zur Entladestelle (Juni 2017).

Die Zu- und Abfuhr der Kesselganzzüge mit DB AG, KEG, ITL/Captrain & LEG

Wie man der Kapitelüberschrift entnehmen kann, waren einige EVU in den Ölzugverkehr involviert. Vor 2003 war dies höchstwahrscheinlich stets die DB AG, 2002/03 u. a. mit der Baureihe 204 zwischen Chemnitz Hbf und -Glösa. Ab 2004 teilten sich DB und ITL die Leistungen. Für 2007/08 sind keine Sichtungen bekannt. Ab 2009 dominierten ITL/Captrain die Verkehre. KEG (08/2003) und LEG (04/2016) blieben „Eintagsfliegen“.

[149] Bei dieser kurzen Fuhre handelt es sich um einen aus dem Ganzzugverband ausgesonderten Schadwagen, welcher am 10. August 2000 mit 345 010 im Bahnhof Chemnitz-Glösa auf Abfahrt nach Küchwald wartet.
[150] Im Sommer 2003 mischten die „Krabbenkutter“ im Kesselzugverkehr mit: KEG 2105 (ex-CFR 60-0905) fuhr nach dem Fahrtrichtungswechsel mit einem Leerzug in Richtung Geithain aus dem Bf Küchwald aus. Am Zugende hing KEG 2106 (ex-CFR 60-0909). Das Besondere bei diesem kurzen Gastspiel war, dass die KEG-Loks den Zug nicht im Bf Chemnitz-Glösa übernahmen, sondern selbst von der Anschlussbahn jenseits des Fischwegs abholten.
[151] Im März 2004 wurden die Gips-, Öl- und Aschezüge letztmalig im Bahnhof Chemnitz-Glösa abgefertigt. Das Arbeitsbuch des Stellwerks R1 in Furth vermeldet für den 18. März 2004 u. a.: „8.35 Ausfahrt, Öl 21x leer“. SWC 4 (ex-DR V 100 067) hat die 21 leeren Kesselwagen scheinbar vom Anschluss in den Glösaer Bahnhof geschoben. 111 001 der ITL (ex-DB V 100 1160) wird den Zug gleich nach Küchwald übernehmen. Eine Woche später fuhr noch ein Gipszug, dann hieß es am 31. März 2004 im R1 (und auch im Bf Chemnitz-Glösa) für immer: „… Relais gezogen somit keine Ausleuchtung mehr“.
[152] Die damals letzte nicht-verkehrsrote 232 in Diensten von DB Railion – 232 690 – bespannte am Abend des 26. Januar 2005 einen Kesselzug im Bf Küchwald.
[153] Aufgrund einer Betriebsstörung in Chemnitz Hbf musste 241 338 mit dem Leerzug am 27. Juni 2006 einige Stunden in Küchwald auf die Ausfahrt warten. Auf dem WbC-Gleis ging es zirka 22:10 Uhr los.

Eine relative hohe Ölzugdichte bestand von März bis Mai 2009: Nachdem der Bottich zu Jahresbeginn komplett entleert wurde, erfolgte die Befüllung mit schadstoffarmem Heizöl. Insgesamt elf Ganzzüge waren zweimal pro Woche (Mo/Mi) zum Auffüllen angekommen.

[154] Zwischen 2005 und 2018 schickte die ITL vielfach eine ihrer vierachsigen V 180 zur Abholung des Kesselzuges nach Küchwald. Meistens war das 118 002 (ex-DR V 180 052), wie hier am Abend des 5. Februar 2010.
[155] 293 022 und 293 023 der MTEG haben am Vormittag des 28. Oktober 2010 einen Ölzug in Chemnitz-Siegmar von einer ITL-Ellok übernommen.
[156] Grau in grau: 293.02 und 293.01 der ITL stehen am Morgen des 17. Februar 2011 mit einem Ölzug in Chemnitz Hbf abfahrbereit nach Küchwald.
[157] Havarierte Triebfahrzeuge gab es auch beim Ölzug: Am 19. Januar 2012 blieb 285 104 am Berg bei Hohenstein-Ernstthal liegen. Die Glauchauer 204 237 half, hier beim Hereindrücken in den Küchwaldbahnhof.
[158] Zu ITL-Zeiten war der Vollzug häufig bis Chemnitz Hbf oder -Siegmar mit einer Ellok bespannt und eine 285 übernahm die „letzte Meile“. Am 12. Juli 2012 nahm 285 106 die E186 131 mit nach Küchwald.
[159] Ab und an schickte die ITL auch einen sowjetischen Sechsachser nach Küchwald, um den Leerzug zu holen. Am 30. November 2012 hatte sich W 232.04 (LTS 100040, ex-DR 142 004) an den Zug gesetzt.
[160] Neue Sichtachsen müssen erfahrungsgemäß schnell für ein Foto genutzt werden. So war es auch beim freigeholzten KCCh-Damm zwischen Furth-Viadukt und Chemnitz Hbf. 285 119 bringt am 16. Mai 2014 einen Leeren in Richtung Hbf.
[161] 250 006 war noch in Ursprungsfarbgebung blau/silber oder wie hier im Captrain-Outfit ein regelmäßiges Zugpferd im Kesselzugdienst. Wiederum kurz vor dem Ziel quert der Vollzug die Chemnitz in Furth, links ist erneut das Viadukt der KCCh erkennbar.
[162] Einmalig übernahm die LEG ein Kesselzugpaar am 21./22. April 2016. 155 078 und 232 004 rollen mit dem frischen Öl über die Beckerbrücke im Chemnitzer Stadtgebiet.
[163] Der Leerzug DGS 69117 nach Hamburg nahm den Weg über Borna. Hier rollt er nahe Geithain durch die sanften Hügel unweit der ehemaligen Blockstelle Wickershain.
[164] Meistens, wenn eine V 180 den Leerzug abholte, regnete es so stark, dass tropfenfreie Fotos kaum möglich waren. So auch am 17. März 2017 als wieder einmal 118 002 – nun als 118 552 beschildert – den Zug übernahm. Mit dieser Bezeichnung war sie seit der Remotorisierung (A-3) von November 1983 bis Dezember 1991 im Einsatz. 1992 bis 1999 fuhr sie für die Regentalbahn AG unter der Bezeichnung D 06. Der Nummernsalat wird komplett mit der seit 2007 in der NVR-Nummer enthaltenen „228 585“.

Das Ende des Tanklagers

Einer der letzten Ganzzüge mit Heizöl erreichte Küchwald / Chemnitz-Furth am 29. Januar 2019. Am Folgetag holte 250 006 den Leerzug in Küchwald ab.

[165] Am Montag, den 16. September 2019, erreichten letztmals drei Kesselwagen das Anschlussgleis in Chemnitz-Furth.
Allerdings brachten sie diesmal kein Heizöl, sondern wurden am 17. September mittels LKW mit den Ölresten des Bottichs vollgepumpt. Eine AHG-V 60 schob die Wagen am Morgen des 18. September nach Küchwald zurück, wo sie am Freitag, den 20. September, gegen 14 Uhr von einer Cargo-Lok (BR 261 oder BR 294) abgeholt wurden.
[166] Im Herbst’23 erfolgte der Abbruch des Reservoirs, hier der Zustand am 12. November.

Säure zur Wasseraufbereitung

Um das Flußwasser aus der Chemnitz und der Zschopau* verwenden zu können, muss es einer umfangreichen chemischen Reinigung unterzogen werden (Flockung, Filtration, Enthärtung etc.). Vor der Rückführung in die Chemnitz muss das H2O wieder mit Ionen angereichert werden. Für diesen Zweck wird Säure benötigt. Bis 2011 auch eine Aufgabe der Eisenbahn.

(*In Frankenberg wird der Zschopau Brauchwasser entnommen, das über eine 9,3 km lange unterirdische Leitung zum HKW gelangt!)

[167] Sah man ab und an einen Kesselwagen im Anschluss stehen, dauerte es lange, ehe die Zu- oder Abfuhr eines solchen dokumentiert werden konnte. Einmal im März 2008 war mir die Abholung eines im Anschluss gesichteten Wagens im Vorfeld bekannt, allerdings hatte ich lehrbedingt keine Zeit. Dankenswerterweise quälte sich Felix Seraphin aus dem Bett, um die Abholung des Wagens auf Gleis A54 festzuhalten. AHG 1 hat zwei Falns mit Asche dabei. Die im Hintergrund erkennbaren umfangreichen Krananlagen des Plattenwerks wurden kurze Zeit später eingeebnet.

Eine nicht alltägliche Anschlussbedienung am 8. März 2010

[168] Zu Reichsbahnzeiten gang und gäbe, in Zeiten des Ganzzugeinerleis hat solcher Pragmatismus im Betriebsablauf Seltenheitswert: Am 8. März 2010 hing am Leerzug für die Gipsbeladung auch ein Säurekesselwagen. Ob dieser in Chemnitz Hbf, Zwickau oder gar Großkorbetha an den Zug ging, konnte nicht ermittelt werden. 233 521 schob den Zug in den Anschlussbahnbereich des Bf Küchwald.
[169] Unmittelbar danach zog LDC V 60 001 den Wagen vom Gipszug ab bis zum Stellwerk R2. Nun setzte sich AHG 1 an das andere Wagenende und brachte den Kesselwagen via Glösa zum Gleis A54.
[170] AHG 1 schob den Kesselwagen mit Säure auf das Anschlussgleis der Brauchwasseraufbereitung (Gleis A54).
[171] Eine Bedienung am 6. April 2010 zeigt diese Aufnahme mit AHG 1, welche gerade einen Wagen im HKW zustellt.

27. August 2010: Abholung via Hartmannsdorf

[172] Noch seltener als die Bedienung mit einem Wagen sah ich Fahrten mit derlei zwei. An diesem 27. August schob AHG 3 die beiden Wagen nach Küchwald. Die V 60 D befindet sich zum Auslösezeitpunkt in Höhe der gekappten Weiche zum Anschluss Krautheim (Stahlgießerei Borna).
[173] Abgeholt wurden die Wagen diesmal mit der Übergabe nach bzw. von Hartmannsdorf. Auf dem Weg von Hartmannsdorf nach Chemnitz Süd zog 294 889 zwei Gaskesselwagen und die beiden Säurekesselwagen durch den Haltepunkt Chemnitz-Borna.

Und wieder heißt es: Der LKW übernimmt!

[174] Am 9. November 2010 war 294 895 nach Küchwald gekommen, um den Kesselwagen abzuholen. Viele Fahrten gab es danach nicht mehr – wenn überhaupt.
[175] Eine Bildgegenüberstellung nahe des Stellwerks R1 in Furth: Der Blick entlang des Anschlussgleises zum HKW im Mai 2009 und im März 2016 kurz nach dessen Rückbau.
[176] Die Situation auf der Nordseite des Dammwegs im März 2010 und im November 2024. Auf dieser Seite befand sich ein niedriges Gleistor. Das Gleis ist von hier bis zum Stellwerk R1 im März 2016 zurückgebaut worden.
[177] Der Übergang Dammweg des Gleises A54 im März 2016 mit Blick in Richtung HKW. Im Vordergrund ist zu erkennen, dass die Schienen bereits vom Gleisnetz abgetrennt waren. Jenseits der Gleistore stand damals ein Prellbock. Rechts ist ein altes Warnkreuz aus DDR-Zeiten erkennbar, das laut alter Verkehrsordnung einen mehrgleisigen Bahnübergang kennzeichnet.
[178] Der aktuelle Zustand im November 2024: Im HKW-Gelände liegt das Gleis noch, mit Unterbrechungen. Die Gleistore und das Gleis in der Straße sind längst verschwunden.

Abkürzungsverzeichnis

AHG = AHG Industry GmbH & Co. KG, Cottbus OT Groß Gaglow (bis 2008: AHG Handel & Logistik GmbH & Co. KG)
Bf = Bahnhof
CFR = Căile Ferate Române (Staatsbahn Rumäniens, bis 07/1998)
DB = Deutsche Bundesbahn (bis 12/1993)
DB AG = Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (ab 01/1994)
DR = Deutsche Reichsbahn
EVU = Eisenbahnverkehrsunternehmen
HKW = Heizkraftwerk
ITL = ITL Eisenbahngesellschaft mbH, Dresden
KC = Strecke Neukieritzsch – Chemnitz Hbf
KCCh = Strecke Küchwald – Chemnitz-Hilbersdorf Rbf
KEG = Karsdorfer Eisenbahngesellschaft mbH, Karsdorf
LDC = Lausitzer Dampflok Club e.V., Cottbus
LEG = Leipziger Eisenbahnverkehrsgesellschaft mbH, Delitzsch
LEW = VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“, Hennigsdorf
LTS = Lokomotivfabrik Oktober-Revolution, Woroschilowgrad
MTEG = Muldental-Eisenbahnverkehrsgesellschaft mbH, Zwickau
NVR = National Vehicle Register (dt. Nationales Fahrzeugeinstellungsregister)
SWC = Stadtwerke Chemnitz AG
VEB = Volkseigener Betrieb (Rechtsform in SBZ und DDR für Industrie- und Dienstleistungsbetriebe)
WbC = Strecke Wechselburg – Küchwald (Chemnitztalbahn)
WbCF = Strecke Chemnitz-Glösa – Chemnitz-Furth

Quellenverzeichnis & Literaturhinweise

  • Stadtwerke Chemnitz AG (2003): Die Energiefabrik. Heizkraftwerk Nord II. Faltblatt o.A.
  • Stockmann, Ilka/AG Blankenauer Grund (2022): Das Heizkraftwerk Nord – Geschichte und Geschichten um die Chemnitzer Energiefabrik. In: 23. Mitteilungen aus dem „Blankenauer Grund“ (4. Jahrg.) ISSN 2628-5037. Chemnitz: Dämmig. S.3-11.

Ein herzlicher Dank an Thomas Hälsig, Michael Hofbauer[151], Ronny Meyer[142] und Felix Seraphin[150][167] für zur Verfügung gestellte Informationen und Bildmaterial. Ebenfalls herzlich gedankt sei den SWC-/AHG-Anschlussbahnern, die viel Toleranz – oft sogar Akzeptanz – gegenüber interessierten Außenstehenden gezeigt haben!

© 2024 MBC

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert