Der 600-mm-Rundkurs im Küchwaldpark – die Chemnitzer Parkeisenbahn (Teil I: Geschichte, Betrieb, Fahrzeuge)
Inhaltsverzeichnis
„Sehr geehrte Reisende am Bahnsteig 1 und 2, zum Personenzug in Richtung Tennisplätze über Leipziger Straße bitte einsteigen, die Sicherheitsketten schließen und Vorsicht bei der Ausfahrt des Zuges! Wir wünschen allen Reisenden sowie dem Lok- und Zugpersonal eine angenehme Fahrt durch den Küchwald.“
(eine typische Lautsprecherdurchsage des Bf Küchwaldwiese)
Mittlerweile ist die kleine Eisenbahn weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Seit 1954 drehen die Züge auf dem knapp 2,3 Kilometer langen Schienenstrang zwischen März und Oktober unermüdlich ihre Runden. Die politischen Umstrukturierungen und den gesellschaftlichen Wandel ab 1990 hat die „Pioniereisenbahn“ trotz einiger Hürden erfolgreich bewältigt und blickt in eine sichere Zukunft (seit 1995 Rechtsform gGmbH). In diesem Beitrag soll vordergründig der Fahrzeugpark vorgestellt werden. Ein zweiter Teil beschäftigt sich mit dem Streckenverlauf und besonderen Vorkommnissen. Fotografischer Schwerpunkt liegt in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre – (nicht nur) für die Chemnitzer Parkeisenbahn eine aufregende Zeit!
Geschichte
Der Küchwald verdankt seinen Namen wohl dem, einst auf dem heutigen Schloßberg gelegenen, 1136 gegründeten Benediktinerkloster, dessen Küchenpersonal sich Teile des Waldes als Brennholz und Wildbret zunutze machte. Im Uhrzeigersinn von Norden beginnend wird der Wald von den heutigen Stadtteilen Borna, Furth, Schloßchemnitz und Altendorf eingerahmt. Um 1900 begann die Umwandlung des Waldes in eine Parkanlage als Erholungsraum für die Großstädter. Ein beliebtes regionales Ausflugsziel war die Küchwaldschänke, welche sich in Lage der heutigen Freilichtbühne befand. Im Rahmen des „Nationalen Aufbauwerks“ sollte auf dem kriegsbedingt verödeten Parkgelände wieder eine Kultur- und Naherholungsoase entstehen.
Zu Beginn der 1950er-Jahre sollte Chemnitz als dritte Stadt nach Dresden und Leipzig eine sogenannte „Pioniereisenbahn“ erhalten, wo Kinder und Jugendliche den Eisenbahnerdienst ganz nach großem Vorbild in ihrer Freizeit verrichten. Im Gegensatz zu den anderen sächsischen Großstädten konnte hier nicht auf Material von „Liliputbahnen“ in 381-mm-Spurweite zurückgegriffen werden. Bereits am 1. August 1953 pendelte eine als Dampflok verkleidete Feldbahndiesellok von Jung mit dem ersten offenen Personenwagen auf rund einem Kilometer Feldbahngleis (etwa zwischen den heutigen km 0,8 und 1,8/Lokschuppen). Nach einigem Gerangel um die Rechtsträgerschaft zwischen Stadt, Verkehrsbetrieben und Deutscher Reichsbahn ging die Rundstrecke schließlich am 13. Juni 1954 zum „Tag des Eisenbahners“ offiziell in Betrieb. Sie begann und endete am Bahnhof „Neues Leben“. Etwa auf halber Strecke entstand eine Blockstelle mit Schrankenposten. Die einzige Weiche des Schienenkreises war die Zufahrt zum Lokschuppen.
Trotz mehrerer Anläufe ist eine Streckenerweiterung bislang nicht erfolgt. Dennoch war die Parkeisenbahn im Laufe der letzten sieben Jahrzehnte einem stetigen Wandel unterlegen. Einige Schlaglichter der letzten 30 Jahre sollen im Folgenden dargestellt werden.
Der Betrieb
Die Signal-, Leit- und Sicherungstechnik legt den Regelbetrieb auf Einrichtungsverkehr im Uhrzeigersinn fest. Die Strecke teilt sich in zwei Blockabschnitte, sodass zwei Züge gleichzeitig die Strecke befahren können. Das Bahnbetriebswerk ist auf freier Strecke durch eine Ausweichanschlussstelle angebunden. Zwischen Ende März und Ende Oktober findet nachmittäglich Zugverkehr statt (Montag ist Ruhetag, sonn-, feier- und ferientags auch Vormittagsverkehr). Regulär wird ein 30-Minuten-Takt gefahren. Zu Festen und Feiertagen findet häufig Zweizugbetrieb statt (10-Minuten-Takt). Zugfahrten verkehren entweder als einfache Fahrt oder als Doppelfahrt („Eilzug“ mit zwei Rundfahrten ohne Halt auf den Zwischenstationen). Zu beliebten Sonderaktionen zählen u.a. Märchenbildsuchfahrten, Mondscheinfahrten und Fahrzeugparaden. Weitere Fahrttermine sind Nikolaus und der 2. Weihnachtsfeiertag.
Ein Markenzeichen der Parkeisenbahn ist die Tatsache, dass nahezu alle Dienstposten von Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren absolviert werden. Dazu zählen u.a. der Schichtleiter, Fahrkartenverkäufer, Fahrdienstleiter, Block- und Schrankenwärter, Zugschaffner, Zugführer und die Aufsicht. Lediglich die Posten des Bahnhofsleiters und Lokpersonals bleiben Erwachsenen vorbehalten. Der Betrieb läuft nach der Fahrdienstvorschrift für Nichtbundeseigene Eisenbahnen.
Die betriebsarme Herbst- und Winterzeit wird zur Aus- und Weiterbildung der Parkeisenbahner, für Exkursionen und selbstverständlich für die Wartung, Instandsetzung und Sanierung der Bahnanlagen und Fahrzeuge genutzt.
Die Triebfahrzeuge
„Pionierlok 1“, Lok 6001 (Jung Nr. 5738)
Das „Urvieh“ im Küchwald basiert auf einer ZL 105 von Jung (Bj. 1934). Noch vor der Streckeneröffnung ist die Lok im Raw Chemnitz bzw. Karl-Marx-Stadt optisch einer Dampflok angenähert worden, 1964 erfolgte die Rückwandlung in ein Diesellokkleid. Da das Fahrzeug keine Druckluftbremse erhielt, war das Einsatzende im Reisezugdienst 1975 unausweichlich. 1985 erfolgte die teilweise Verschrottung der Lok. Erst ab 1991 konnte der Förderverein sie mit einiger Mühe wieder optisch in den Zustand der späten 60er-Jahre zurückversetzen.
Pionierlok 2, Lok 6002 (LKM Nr. 249184)
Rund vier Jahre musste Lok 1 allein den Verkehr im Küchwald bewältigen, ehe Verstärkung eintraf. Der VEB Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg (LKM) fertigte 1957 eine eigens für die Karl-Marx-Städter Pioniereisenbahn kreierte Ns 3p. Im Unterschied zur konventionellen Ns 3 erhielt die Lok eine ansehnliche Karosserie, die ihr ein unverwechselbares Äußeres verleiht. Bis zur Übernahme einer V 10 C im Jahre 1983 bewältigte die 6002 die Hauptlast im Zugverkehr. Erst im Rahmen einer langwierigen Getriebereparatur im Bw Chemnitz, Betriebsteil Glösaer Straße 1991/92 erhielt die Lok auch auf der Vorbauseite eine Mittelpufferkupplung. Diese wird beispielsweise bei Paraden benötigt, wenn Lok 6001 und ein Reisezugwagen geschoben werden. Bei einer Hauptuntersuchung im Winter 1995/96 erhielt sie keinen neuen Motor, jedoch eine Leistungssteigerung von 60 auf 90 PS. 1996 sah man die Lok folgerichtig erstmals in verkehrsstarken Zeiten vor einem Fünf-Wagen-Zug. Auch im Jahr 2019 ist „die Kleine“ betriebsfähig und muss hin und wieder im Reisezugdienst aushelfen. Zu Höchstleistungen will man die alte Dame aber nicht mehr herausfordern.
Lok 6003 (LKM Nr. 250510)
Im Gegensatz zur 6002 ist ihre Nachfolgerin eine Lok „von der Stange“: Eine V 10 C – die wohl gelungenste Feldbahndiesellok aus DDR-Produktion. In knapp 500 Exemplaren fertigte der Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg (LKM) diese Lok u.a. in den Spurweiten 600, 750, 900 und 1000 Millimeter. Die ab 1958 produzierte Regelspurdiesellok der Gattung V 10 B ist technisch eng mit ihr verwandt. 1983 erhielt die Pioniereisenbahn eine gebrauchte V 10 C vom VEB Ziegelwerk Hainichen. Die Babelsbergerin mit dem Baujahr 1971 musste u. a. von 900 auf 600 Millimeter umgespurt werden, um im Küchwald ihren Dienst aufzunehmen. Sie erfreute sich beim Personal großer Beliebtheit, was u. a. an dem im Vergleich zur 6002 ergonomischeren Führerstand lag. Mit 102 PS Leistung konnten nun in verkehrsstarken Zeiten auch Züge mit allen fünf Reisezugwagen problemlos gebildet werden.
Lok 6004 (LKM Nr. 262063)
Im Herbst 1991 erwarb der frisch gegründete Förderverein der Parkeisenbahn eine Ns 2f der Ziegelei Niederwürschnitz. Die betriebsfähige Lok war bei der Übernahme äußerlich in einem sehr schlechten Zustand. Bis zum 1. Parkbahnfest im Juni 1992 gelang es Vereinsmitgliedern, die Lok optisch auf Vordermann zu bringen, u. a. mussten die arg verbeulten Führerhauswände begradigt und neue Fensterscheiben angefertigt werden. Außerdem erhielt sie einen orangen Anstrich, analog zu Rangierdieselloks der DR. Für den Reisezugdienst zu schwach, und ohne Druckluftbremse, hat sich die Lok im Arbeits- und Bauzugdienst sowie zu Führerstandsmitfahrten im Bw-Gelände stets gut bewährt.
Akku-Grubenbahnlok 6005
Für die Grubenbahnen im Zinn-, Uran- und Kohlebergbau fertigte der wismuteigene Betrieb für Bergbauausrüstungen (BBA) in Aue zwischen 1980 und 1990 unzählige Exemplare der Akkumulatorlok B 360. 1994 schenkte die Wismut AG (vormals SDAG Wismut) dem Förderverein der Parkeisenbahn ein Exemplar (Bj. 1985), dazu zwei Mannschaftswagen und zwei Hunte, welche bis dahin im tiefsten Bergwerk Europas, in Hartenstein, zum Einsatz kamen. Auch diese Fahrzeuge wurden umgehend optisch aufgearbeitet. Der kleine Zweisitzer wurde zum „Hochzeitswagen“ umgestaltet. Diesen Zweck erfüllte er aber praktisch recht selten.
Lok 6006 (Schöma Nr. 5716)
Dank zahlreicher Spenden konnten pünktlich zur Saisoneröffnung 2002 eine neue Diesellok und ein neuer offener Reisezugwagen in Betrieb genommen werden. Ein Jahr zuvor standen den Bürgern drei verschiedene Dieselloktypen zur Auswahl. Das Rennen machte schließlich die CFL-60 DCL von Schöma. Mit 140 PS Leistung ist sie die stärkste Kraft und hat Lok 6003 als Rückgrat im Zugverkehr abgelöst.
Dampflok (Henschel Nr. 28033, Typ B 70)
Bei dieser zweiachsigen Nassdampflokomotive handelt es sich um eine modifizierte Nachkriegsvariante des sogenannten Typs Riesa (Bj. 1948, 75 PS). 1994 bot ein Privatmann der Parkeisenbahn an, seine Dampflok im Küchwald einzusetzen. Der B-Kuppler hat seine ersten Arbeitsjahre bei der Baufirma Faber & Schnepp in Gießen verbracht. Anschließend wurde er als Denkmal in Großeichen aufgestellt. Der künftige Besitzer, Bernd Amende, entdeckte die arg verlotterte Lok im Jahre 1977 und ließ sie im Folgejahr gegen eine Diesellok austauschen. Im neuen Domizil bei den Frankfurter Feldbahnfreunden konnte die Lok nach einer Generalüberholung ab 1980 nach rund zwei Jahrzehnten wieder unter Dampf stehen. Weitere Lebensstationen bildeten das Viernheimer Schmalspurmuseum und die Parkeisenbahn Gera. Vor dem Einsatz in Chemnitz erhielt die Lok eine Druckluftbremsanlage.
Die erste echte Dampflok bei der PEC entwickelte sich sofort zum Publikumsliebling und bewährte sich im Einsatz an zahlreichen Wochenenden und Feiertagen ohne nennenswerte Probleme. Zunächst jahrelang als Dauerleihgabe im Küchwald eingesetzt, übernahm die Parkeisenbahn die Lok schließlich in ihren Bestand. Zwischen 2000 und 2004 besaß die Maschine einen gewöhnungsbedürftigen weinroten Anstrich mit gelben Zierlinien und silbergrauen Pufferbohlen.
Der Wagenpark
Die sechs offenen Reisezugwagen (Nr. 1-5, Bj. 1953-57; Nr. 7, Bj. 2002)
Die fünf ältesten Reisezugwagen sind im Reichsbahnausbesserungswerk Chemnitz (ab Mitte 1953: Raw Wilhelm Pieck Karl-Marx-Stadt) gefertigt worden. Sie stehen nach wie vor im Einsatz. Die Drehgestelle waren ursprünglich Lorengestelle. Inzwischen ist das Gros der Fahrzeugteile bei Hauptuntersuchungen ausgetauscht worden, die äußere Form der Wagen aber nahezu unverändert geblieben. Jeder Wagen verfügt über vier Abteile, deren Holzbänke jeweils sechs Personen Platz bieten. An den Stirnseiten befindet sich je ein Zugbegleiterabteil (vor Umrüstung der Bremsanlage ein Bremserabteil). Wagen Nr. 4 und 5 wurden etwa zeitgleich mit Lok 2 geliefert. 1974 sind zunächst drei Wagen mit Druckluftbremsen ausgerüstet worden. Ab 1995 erhielten bis zu vier Wagen eine Überdachung mit Markise. 1996/97 wurde Wagen 1 bei der CVAG im Betriebshof Adelsberg generalüberholt. Jährlich folgte ein Wagen. 1999/2000 wurde dabei der erste Wagen mit einem rollstuhlgerechten Abteil ausgerüstet. Auch bei den Personenwagen änderte sich das Farbschema mehrmals: Hellblau, Dunkelblau und politisch passendes Rot wurden schließlich wieder durch Himmelblau abgelöst. Mittlerweile sind die 1993 aufgetragenen Regenbogen einer reinen hellblauen Lackierung gewichen. Zu Saisonbeginn 2002 konnte ein sechster offener Wagen (mit Markisenüberdachung) in Betrieb genommen werden. Er unterscheidet sich optisch nur geringfügig von den Vorgängern, besitzt jedoch fünf Reisendenabteile und kein Dienstabteil. Die neue maximale Reisezuglänge sind seither sechs (offene) Wagen, was an Schönwetterwochenenden auch adäquat ist.
Der gedeckte Reisezugwagen „Königlich Sächsischer Bauart“ (Wagen Nr. 6)
Im Jahr 1993 wurde die Idee, einen gedeckten Reisezugwagen auf Spendenbasis zu beschaffen, forciert. Nachdem ein Neubau nicht zustande kam, wurde ein alter gedeckter 750-mm-Güterwagen (GGw) aus Freital-Hainsberg als Spenderfahrzeug auserkoren. Im Raw Dresden (DB-Werk Dresden-West) bzw. Görlitz entstand daraus ein mit Bühnen an beiden Stirnseiten und fünf Übersatzfenstern pro Seite versehener Reisezugwagen. Im Jahr 2009 (Richard Hartmanns 200. Geburtstag) wurde die Inneneinrichtung aufgewertet. Zum „Salonwagen Richard Hartmann“ (1. Klasse) hochgestuft, war die Mitfahrt fortan zuschlagspflichtig. Dies entfiel mit einer Fahrpreiserhöhung ab 2017 wieder.
Güterwagen und Sonstiges
Zum jüngeren Fahrzeugbestand der PEC gehören außerdem eine kleine zweiachsige Feldbahndampflok vom Hersteller FEBA (Mandelartz Bahntechnik, Rommerskirchen) und ein, einst für die Waldeisenbahn Muskau typischer, offener Güterwagen. Dieser geht, als „Barwagen“ umfunktioniert, hin und wieder für eine feuchtfröhliche „Spritztour“ auf die Strecke.
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Fotos: Siegfried Bergelt/SBC, MBC
Literatur:
Beyer, Gerhard (2017): Vom Küchenwald des Klosters zum Küchwald-Park der Stadt. In: Chemnitzer Roland. Heft-Nr. 69 (24. Jahrg.). S.16-21.
Martin, Michael (1996): Die Pionier- und Parkeisenbahn Chemnitz und ihre Lokomotiven. Gesamtherstellung Michael Martin, Chemnitz.
Parkeisenbahn Chemnitz (Hrsg.) (2004): „50 Jahre zwischen Dampf und Diesel“ Geschichte und Geschichten aus einem halben Jahrhundert Parkeisenbahn Chemnitz. Verlag Paarmann Printmedien.