150 Jahre Eisenbahn in Geithain, Rochlitz, Penig und Limbach

Der 8. April 1872 ist ein denkwürdiges Datum für die Eisenbahn in Mitteldeutschland. Das sächsische Eisenbahnnetz war in der Blüte seiner Expansion. Drei miteinander verbundene Regelspurstrecken wurden an diesem Tag feierlich eröffnet:

Borna – Geithain – Narsdorf – Wittgensdorf – Chemnitz

Rochlitz – Narsdorf – Penig

Limbach – Wittgensdorf

(Die hier verwendeten Ortsbezeichnungen entsprechen den Stationsnamen von 1872.)

Strecke (Kieritzsch -) Borna – Chemnitz

Vorgeschichte

Mitte des 19. Jahrhunderts waren im Königreich Sachsen die großen Städte an die Eisenbahn angeschlossen. Von dem 50 Jahre später so dichten Netz war man jedoch weit entfernt. Es war eine Zeit – heute kaum noch vorstellbar – in der vor allem Städte um einen Bahnanschluss rangen. Die Eisenbahn war das erste zuverlässige, kaum wetterabhängige, Verkehrsmittel und stand für wirtschaftlichen Aufschwung, Mobilität und Innovation. Der Landstrich zwischen Leipzig, Riesa, Chemnitz und Glauchau war 1860 noch nicht von Eisenbahnen erschlossen. Folgerichtig kämpften mehrere regionale Eisenbahnkomitees um die ihrer Meinung nach geeignetste Streckenführung.

Über Lausigk oder Borna? Über Burgstädt oder über Penig und Limbach? Zumindest die Beantwortung der ersten Frage nahm die Stadt Borna zu einem großen Teil selbst in die Hand: Auf eigene Rechnung leistete man sich vom Bahnhof Kieritzsch, an der Sächsisch-Bayerischen Bahn, eine Gleisanbindung. Im Herbst 1865 begann der Bau und am 14. Januar 1867 ging die 6,75 km lange Strecke Kieritzsch – Borna über Lobstädt in Betrieb. Ein in dieser Form einmaliger Vorgang in Sachsen!

Das dürfte die Entscheidung beeinflusst haben, die erste Direktverbindung Chemnitz – Leipzig über Borna zu führen. Am 30. Mai 1868 verabschiedete der Landtag den Bau und Betrieb einer zweigleisigen Staatseisenbahn von Chemnitz über Wittgensdorf, Burgstädt und Lunzenau mit Anschluss an die Sächsisch-Bayerische Eisenbahn. Die Städte Rochlitz, Limbach und Penig sollten über eingleisige Zweigbahnen an diese angebunden werden. Die genaue Linienführung war aber zu dem Zeitpunkt noch nicht fix.

Ein Jahr später – der Bau hatte schon begonnen – stand die Trassenführung fest. Der Lückenschluss erfolgte in Borna. Die Privatbahn nach Kieritzsch kaufte der sächsische Staat der Stadt Borna zum Preis der Baukosten ab. Zweigleisig war zunächst nur der Abschnitt Wittgensdorf – Chemnitz. 1881 baute man hier das zweite Gleis wieder ab, verlegte es 1889 aber erneut. „Wir bauen auf und reißen nieder, …“ lautete auch damals schon die Devise.

Auch um 1870 waren nicht alle von der Eisenbahn begeistert. Insbesondere die Landbevölkerung befürchtete Nachteile, z. B. steigende Kriminalität und Abwanderung von Arbeitskräften.

Bau

Aufgeteilt in sieben Sektionen liefen im April 1869 die Bauarbeiten zunächst zwischen Chemnitz, Wittgensdorf und Cossen an und waren zum Jahresende 1871 auf allen drei Strecken weitgehend abgeschlossen. Zwischen 3200 und 6100 Arbeiter kamen, zumeist nur mittels Spitzhacke und Muskelkraft, in den drei Baujahren zum Einsatz. 36 ließen ihr Leben. Allein das Aufschütten der Dämme und Anlegen der Einschnitte ohne schwere Technik stellte einen bemerkenswerten Kraftakt dar.

[1] Die neuen Bahnanlagen waren das Aushängeschild und zierten die Postkarten. Diese handkolorierte Karte aus dem Jahr 1909 zeigt das Cossener Empfangsgebäude mit Stellwerksanbau, die Verladeanlagen im Bahnhofsbereich und das Göhrener Viadukt. (Postkarte: Brück & Sohn Kunstverlag)

Betrieb

Nur ein paar Schlaglichter sollen hier erwähnt sein. Nähere Informationen zu einzelnen Aspekten folgen in den Bildunterschriften. Für ausführlicheres Studium, siehe Literaturhinweise.

Zu Reichsbahnzeiten lief der durchgehende Reiseverkehr zwischen Leipzig und Chemnitz planmäßig stets über Bad Lausick. Ab August 1933 kamen – erstmals in der RBD Dresden – Verbrennungstriebwagen zum Einsatz. Diese bewährten sich gut, mussten aber zu Kriegsbeginn wieder durch Dampfloks ersetzt werden.

Zum 1. Oktober 1934 änderten sich die RBD-Grenzen. Waren unsere Jubiläumslinien bis dahin vollständig der RBD Dresden zugeordnet, wechselte der Abschnitt Kieritzsch – Geithain (bis km 26,85 KC) fortan zur RBD Halle. Ab 1955 wanderte die Direktionsgrenze erneut, nun an den km 34,31 KC (hinter Narsdorf Bogendreieck). Somit gehörte auch ein Teilstück zwischen Rochlitz und Penig seitdem zur RBD Halle.

Eine Hauptlebensader der Strecke war der Braunkohlentransport aus dem Raum Borna/Lobstädt. Mit der Eisenbahn entstanden ganz neue Absatzmöglichkeiten. Mit der Teilung Deutschlands gewann der regionale Rohstoff in der DDR immens an wirtschaftlicher Bedeutung hinzu. In den 1960er-Jahren war der Zustand der Gleise auf einem historischen Tiefpunkt. Zwischen Wittgensdorf und Chemnitz waren nur noch 30 km/h zulässig. Demzufolge gaben die Reisegeschwindigkeiten reichlich Anlass für Hohn und Spott der Bevölkerung.

Am 31. Mai 1992 nahm die Deutsche Reichsbahn in Sachsen die erste „RegionalSchnellBahn“ (RSB) – die spätere Regionalexpresslinie 6 – auf der Relation Chemnitz – Bad Lausick – Leipzig in Betrieb. Zum Einsatz kam die Baureihe 232 mit jeweils fünf Byu-Wagen (redesignte Bmh) in den damaligen Produktfarben Lichtgrau/Minttürkis. Die Fahrzeit betrug 85 Minuten, die einfache Fahrt kostete 12,00 DM. Durchgehenden Schnell- bzw. Regionalexpressverkehr über Borna gab es nur zwischen 1994 und 2005. In dieser Zeit fuhr man wechselweise über Borna oder Bad Lausick (jeweils Zweistundentakt).

[2] Durchgängig zweigleisig war die Strecke Kieritzsch – Chemnitz nie, denn der Abschnitt Neukirchen-Wyhra – Geithain war zu allen Zeiten eingleisig. 1946 demontierte man das zweite Streckengleis (ausgenommen Lobstädt – Borna) vollständig. Zwischen Geithain und Narsdorf änderte sich das erst im Laufe des Jahres 2005 wieder. 628 588 war am 3. April 2005 – dem letzten Betriebstag vor dem Streckenausbau – nahe Wickershain gen Chemnitz unterwegs. Ab 1995 kamen die 628.4 des Betriebshofs Leipzig Süd auf der Strecke zum Einsatz.
[3] Die Direktverbindung Leipzig – Chemnitz wird seit 2005 wieder ausschließlich über Bad Lausick angeboten. Von Dezember 2015 bis voraussichtlich Dezember 2023 kommen nochmals lokbespannte Züge zum Einsatz. 234 278 traktionierte einen RE-Umlauf im Spätsommer 2019 kurzzeitig. Ebenfalls kurzzeitig wendeten die Eilzüge im neuen Haltepunkt Chemnitz Küchwald. [Für Details siehe Teil Ib/IIb unserer Beitragsreihe unter Einst & Jetzt.]
[4] Im Jahr 2010 elektrifizierte man den Abschnitt Borna (b. Leipzig) – Geithain. Der Bahnhof Frohburg wurde im Zuge dessen auf zwei Gleise reduziert. Seit Dezember 2013 wird die Strecke bis Geithain von wechselnden S-Bahnlinien genutzt.

Stationen

Näher eingegangen wird in diesem Kapitel nur auf Stationen, die bereits am 8. April 1872 mit der Bahnlinie in Betrieb genommen worden sind. Später hinzu kamen die Haltepunkte Petergrube (1950), Neukirchen-Wyhra (1902), Frauendorf (1876-2004) und Borna bei Chemnitz (1901). Frauendorf (Sachs) und Neukirchen-Wyhra waren zeitweise auch zu Bahnhöfen erhoben worden. In letzterem zweigte zwischen 1937 und 1947 die „Querbahn“ nach Großbothen über Bad Lausick ab. Mit dem Bau drei neuer Bahnlinien entstand 1902 im Chemnitzer Stadtgebiet die Zweigstelle Küchwald, später Vorbahnhof Küchwald und seit 2018 „Chemnitz Küchwald“ genannt.

Borna / Borna (b. Leipzig) – alter und neuer Bahnhof

Der Bahnhof Borna (b. Leipzig), wie wir ihn heute kennen, ist keine 150 Jahre alt, sondern entstand im Zuge einer Neutrassierung im Jahr 1904. Ursprünglich lag der Bahnhof Borna rund einen halben Kilometer weiter nordöstlich. Der zentraler gelegene alte Bahnhof hatte ein Empfangsgebäude, das sehr ähnlich dem von Rochlitz war. Es wurde 1991 durch einen Brand zerstört. Die eigentlich günstigere Lage gab auch den Ausschlag für das Ende: Es waren keine Erweiterungen mehr möglich, sodass „auf der Wiese“ neu begonnen wurde. Nach der Verlegung blieb der alte Bahnhof als Anschlussgleis bis in die 1990er-Jahre von Norden her an das Netz angebunden.

[5] Der neue Bahnhof Borna (b. Leipzig) aus dem Jahr 1904. Hierher reicht der Fahrdraht seit 1961. Am 15. Januar 1962 nahm man zwischen Neukieritzsch und Borna den elektrischen (Wendezug-)Betrieb auf. Knapp vier Jahrzehnte später standen 143 885 mit einem Doppelstockwendezug und 628 588 für Fahrgäste bereit. Letzterer pendelte als Regionalbahn nach Geithain.
[6] Die einst immense Bedeutung für den Braunkohlentransport konnte man anhand der Gleisdimensionen im März 2013 noch erahnen. Ein Verbrennungstriebwagen verlässt Borna in Richtung Geithain. Obwohl der Abschnitt damals bereits gut zwei Jahre elektrifiziert war, dieselte man noch bis zur Eröffnung des Leipziger City-Tunnels weiter.

Frohburg

[7] In Schwarz/Weiß ist der aktuelle Zustand des Frohburger Bahnhofs etwas leichter zu ertragen. Die Stadt kaufte das Gebäude 2012. Zwei Gleise und ein Anschluss zur BayWa sind geblieben. Von 1906 bis 1967 konnte man hier in Züge nach Kohren-Sahlis einsteigen. Einst befanden sich auch Gleise jenseits des Empfangsgebäudes.

Geithain

[8] Ein Teil der nördlichen Ausfahrgruppe im Mai 2001. Seit 1887 besteht auch über Bad Lausick (bis 1913: Lausigk) die Möglichkeit, direkt nach Leipzig zu gelangen. Das hatte damals den weitreichenden Um- und Ausbau der Gleisanlagen zur Folge. Mitte 2003 erfolgte der erneute Um- bzw. eher Rückbau des Bahnhofs und die Errichtung eines Elektronischen Stellwerks.
[9] Bei der Elektrifizierung des Abschnitts Borna (b. Leipzig) – Geithain, in der zweiten Jahreshälfte 2010, versah man lediglich ein Stumpfgleis in Geithain mit Fahrdraht. Einzig die beiden mittleren Gleise sind noch durchgebunden in Richtung Chemnitz.

Narsdorf

[10] Im „Centralbahnhof Narsdorf“ trafen die beiden Jubiläumslinien aus Borna und Rochlitz aufeinander. Die Bedeutung dieses Umstandes ist anhand der Bahnhofsarchitektur noch erkennbar. Die Flügelbauten sind deutlich größer ausgefallen. Ursprünglich sollte der Knotenbahnhof in Obergräfenhain entstehen, aber die Gemeinde verweigerte sich. Mit der Streckenmodernisierung im Jahr 2005 verlor Narsdorf seine Funktion als Bahnhof und ist eine Überleitstelle geworden. Der Bahnsteig befindet sich nun im eingleisigen Bereich nahe des Bahnübergangs mit der B 175.
[11] In der ersten Hälfte der 1930er-Jahre erhielten Geithain, Narsdorf, Cossen und Burgstädt zum Teil neue Stellwerke. Rechts das „neue“ Stellwerk B1 (1933-1938: W1) und links die alte Stellerei I aus dem Jahre 1895. Zwischen Messwagen und B1 ist die Zusammenführung von KC- und RP-Linie zu sehen.
Narsdorf Stellerei III (ab 1927: Bk Gräfenhain; ab 1930: Narsdorf Stw 3; ab 1956: Narsdorf Bogendreieck, W 58)
[12] Die Strecken nach Chemnitz und Penig trennten sich nicht im Bahnhof Narsdorf, sondern in der rund 1,5 Kilometer entfernten Abzweigstelle in Obergräfenhain. Anfang der 1950er-Jahre legte man aus strategischen Gründen eine Verbindungskurve aus Richtung Himmelhartha gen Obergräfenhain, sodass ein Gleisdreieck entstand. Im April 1997 erinnerte der Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde e. V. mit der Plandampfveranstaltung „Großes Finale am Rochlitzer Berg“ an die Zeit der Reko-03 im Eilzugverkehr zwischen Leipzig, Bad Lausick und Chemnitz. Die Cottbuser 03 2204 passierte mit E 21093 am 28. April 1997 die noch besetzte Abzweigstelle. Im Vordergrund das Stellwerk aus den 1930ern, dahinter die ursprüngliche sächsische Stellerei. Bis September 1999 brach man alles ab und baute die Weichen 58 und 59 aus. Rechts das Vorsignal des Bf Narsdorf.

Cossen

[13] Der Bahnhof Cossen in seinen letzten Tagen als Verkehrsstation im März 2005. Noch lagen drei der ursprünglich fünf durchgehenden Gleise.
[14] Seit Dezember 2005 ist Cossen ein reiner Betriebsbahnhof, der auf zwei Gleise reduziert worden ist. Gesteuert wird elektronisch von Geithain aus. Demzufolge ist der örtliche Stellwerksanbau verwaist und „zugenagelt“.

Burgstädt

[15] Rege Betriebsamkeit im Bahnhof Burgstädt zirka 1915. Die Ladestraße ist beidseits gesäumt mit zweiachsigen Güterwagen. (Brück & Sohn Kunstverlag)
[16] Der Bahnhof Burgstädt aus ähnlicher Perspektive im Juli 2001. Zum Jahresbeginn 2003 wird der Abbruch des Empfangsgebäudes die grundlegende Umgestaltung der Bahnstation einläuten.
[17] Der Zwischenstand während des Umbaus im April 2005. Im Bereich des EG entstand 2003 ein Busbahnhof. Der Güterbahnhof verschwindet vollständig. Neben dem Streckengleis wird lediglich ein Stumpfgleis für die City-Bahn links neu errichtet werden.

Wittgensdorf (ab 1927: Wittgensdorf ob Bf)

[18] Der Wittgensdorfer Bahnhof ist bereits 2017 in Teil VI unter Einst & Jetzt ausführlich vorgestellt worden. Hier befindet sich mit 350 mNN der Scheitelpunkt der KC.

Bahrmühle (ab 1898: Mittelwittgensdorf; ab 1927: Wittgensdorf Mitte)

[19] Auch zu Wittgensdorf Mitte gibt es einen Beitrag auf unserer Homepage (Teil V). Inzwischen ist das Dach der ehemaligen Blockstelle eingestürzt. Die letzte analoge Bahnsteiguhr verschwand im Februar 2021, wenige Stunden nach diesem Bild.

Blockstellen

In Vergessenheit geraten, sind die Blockstellen, welche einst die Streckenkapazität deutlich erhöht haben.

Folgende Blockstellen befanden sich zwischen Geithain und Chemnitz:

Bk Wickershain (km 28,49 KC)

Bk Gräfenhain / Narsdorf Bogendreieck (km 32,65 KC / km 11,02 RP)

Bk Himmelhartha (km 36,05 KC)

Bk Heiersdorf (km 43,85 KC)

Wittgensdorf Mitte (km 54,34 KC)

Bk Chemnitz-Borna (km 56,30 KC)

Die meisten Blockstellen wurden in den 1960-80er-Jahren wegrationalisiert. Mitte 2005 wurde als letzte die Blockstelle in Wittgensdorf Mitte aufgegeben.

[20] Im November 1916 nahm man die Blockstelle Himmelhartha in Betrieb. Am 17. Mai 2002 existierte deren Gebäude noch.
[21] Das Gebäude der Blockstelle Heiersdorf, zwischen Cossen und Burgstädt, hat bis heute überlebt und ist ein beliebtes Fotomotiv.

Kunstbauten

Die Strecke ist für ihre Viadukte aus Naturstein bekannt. Die Brücken in Burgstädt und Cossen (verfüllt 1968) entstanden aus Mangel an Erdmassen für Dammaufschüttungen. Aus diesem Grund war auch die Göhrener Brücke beidseitig verlängert worden (auf Chemnitzer Seite mit einer gemauerten Stützwand).

[22] Die Wyhratalbrücke südlich von Borna weist zwölf Bogen auf.
[23] Die Viadukte in Niedergräfenhain (diese Aufnahme) und Geithain sind vor allem dem Ministerialrat von Einsiedel zu „verdanken“. Als Besitzer des Ritterguts Syhra ließ er die Trasse durch seine Ländereien nicht zu. Deshalb mussten Geithain nördlich umfahren und mehrere Täler überquert werden.
[24] Viadukt Geithain
[25] Das Wahrzeichen der Strecke überspannt bei Göhren die Zwickauer Mulde. Links sind noch drei der neun 1982-1986 zugemauerten Öffnungen erkennbar, siehe [1]. Höhe: 68,4 m; Länge: ursprünglich 507 m

Nur rund 800 Meter hinter der Göhrener Brücke befand sich bei km 39,07 KC das Cossener Viadukt. Es besaß sechs Öffnungen und war dem Geithainer Viadukt sehr ähnlich. 99 Jahre nach seiner Erbauung wurde es 1968 verfüllt. Lediglich ein verkleinerter Durchlass blieb für einen Wirtschaftsweg erhalten.

[26] Das Burgstädter Viadukt besticht mehr durch 410 m Länge als durch 7,70 m Höhe.
[27] Ebenfalls sehr bekannt ist das Viadukt in Heinersdorf über das Bahrebachtal und die Bundesautobahn 4. (Siehe Teil IV unter Einst & Jetzt.)
[28] Die Chemnitztalbrücke in Furth ist im geraden Bereich mit Fachwerkträgern ausgestattet gewesen. (Siehe Teil I unter Einst & Jetzt.)
[29] Auch die Natursteinbrücken über die Bahn sind Kunstwerke und säumen noch zahlreich die Strecke. Stellvertretend sei diese bei km 37,64 KC gezeigt. Die Göhrener Straße klettert aus dem Muldental und quert kurz vor dem Ziel die Bahn.
[30] Rochlitzer Porphyr kam bei den meisten Kunstbauten zum Einsatz. Am Chemnitzer Ende des Göhrener Viadukts schließt sich diese Stützmauer an.
[31] Kleinere Gewölbebogen aus Naturstein zur Querung von Wirtschaftswegen waren zahlreich auf der Strecke vorhanden. In jüngerer Vergangenheit wurden sie mancherorts durch Ersatzneubauten aus Beton ausgetauscht. Dies stand im Mai 2009 „Am Bahrehang“ in Chemnitz Borna-Heinersdorf unmittelbar bevor.

Strecke Rochlitz – Narsdorf – Penig

Die Strecke begann und endete im Tal der Zwickauer Mulde, folgte diesem aber nicht. Daraus ergaben sich in beide Richtungen starke Steigungen, die zu überwinden waren. Mit der Inbetriebnahme wies die Strecke folgende Zwischenstationen auf: Köttwitzsch, Breitenborn, Narsdorf und Langenleuba. Erst 1913 bekam Obergräfenhain seinen Haltepunkt.

Schon mit der Inbetriebnahme der Muldentalbahn büßte die RP-Linie nach wenigen Jahren nicht unerheblich an Bedeutung ein. Folgerichtig wurde die Strecke im Oktober 1878 zu einer „Secundärbahn“ (Nebenbahn mit untergeordneter Bedeutung) herabgestuft. Schrankenanlagen und Wärterhäuschen wurden teilweise wieder abgebrochen.

Infolge der Reparationszahlungen nach dem II. Weltkrieg demontierte man im Spätsommer 1947 das Gleis zwischen Rochlitz und Narsdorf vollständig. Ab 1963 erfolgte der Wiederaufbau und die Inbetriebnahme im Februar 1965. Zunächst diente die reaktivierte Verbindung nur dem Güterverkehr und Loktausch, ehe zum Winterfahrplan 1968/69 ein bescheidener Wochenendverkehr eingerichtet wurde. Das Angebot wurde später sukzessive erweitert. Beispielsweise gab es 1992 Durchläufer von Chemnitz über Narsdorf und Rochlitz bis Waldheim.

Der Mangel an Fahrdienstleitern in Langenleuba-Oberhain war Anlass, die Reiseverbindung nach Penig ab 27. Mai 1990 einzustellen. Der Abschnitt Penig – Langenleuba-Oberhain war fortan ein Bahnhofsgleis von Penig. Der Bf Langenleuba-Oberhain war nun unbesetzt und der Peniger Ast mittels Gleissperre gesichert. Zwischen Narsdorf und Langenleuba-Oberhain verkehrten noch fünf Jahre lang die Reisezüge nach Altenburg.

[32] Der längst untergegangene Eisenbahnknoten Rochlitz nahm vor 150 Jahren seinen Anfang mit der Strecke nach Penig via Narsdorf. Später folgten die Verbindungen nach Großbothen/Wurzen (1875/1877), Penig/Glauchau via Wechselburg (1876/1875) und Waldheim (1893). Das Bahnhofsgebäude ähnelt, wie schon erwähnt, dem vom ersten Bornaer Bahnhof. Die Spitzdächer der Flügelbauten verlaufen parallel zu den Gleisen.
[33] 202 743 kennen wir schon von der Aufnahme [4]. Im November 1999 erreichte sie von Chemnitz via Narsdorf kommend den (Noch-)Knoten Rochlitz.
[34] Nachdem die Strecke Rochlitz – Narsdorf 1965 erneut aufgebaut wurde und ab 1969 wieder (Wochenend-)Reiseverkehr hatte, gab es Durchläufer Waldheim – Rochlitz – Narsdorf – Altenburg. Am 16. September 1990 war ein LVT/LVS-Gespann als P 4696 (Waldheim – Altenburg) in der Steigung bei Köttwitzsch / Stollsdorf unterwegs. Den Haltepunkt Köttwitzsch reaktivierte man erst am 27. Mai 1990, exakt zehn Jahre später war wieder Schluss.
[35] Am 27. Mai 2000 – dem letzten Betriebstag zwischen Rochlitz und Narsdorf – war 202 817 mit RB 27285 (Rochlitz – Chemnitz) in Wittgendorf unterwegs. (Nicht zu verwechseln mit Wittgensdorf an der anderen Jubiläumsstrecke weiter südlich.)
[36] Dass die Strecke Rochlitz – Narsdorf noch Puls hat, ist einer ehrenamtlichen Initiative zu verdanken. Unter der Marke „Frelsbachtalbahn“ werden seit 2018 saisonal Publikumsfahrten mit Schwerkleinwagen angeboten. Zuvor mussten die Gleise umfangreich vom Wildwuchs befreit werden. Auch der Haltepunkt Breitenborn wurde für die touristischen Fahrten reaktiviert. Wir sehen den intakten Gleiskörper in Höhe des Postenhauses an der B 175 mit Blick gen Narsdorf.
[37] Der südliche Narsdorfer Bahnhofsteil hat mit der Einstellung des Abschnitts Rochlitz – Narsdorf seit 28. Mai 2000 endgültig seinen Zweck verloren. Nur sporadisch waren danach noch Baufahrzeuge hier abgestellt, so wie auf diesem Bild im Juni 2001. Wie das EG befand sich auch der Lokschuppen in Insellage. Sein Zustand war schon zu DR-Zeiten ruinös.
[38] Die Betriebsstelle Narsdorf Bogendreieck von der B 175 aus gesehen. N 8036 (Narsdorf – Altenburg) quert am 20. April 1995 die Windmühlenstraße auf dem heute noch vorhandenen Steinbogen. Wir sehen in der rechten Bildhälfte die Rückseite der beiden Stellwerksgenerationen.
[39] Im Januar 2007 stand der Gleisrückbau zwischen Bogendreieck und Langenleuba-Oberhain unmittelbar bevor. Links die Strecke nach Chemnitz, rechts nach Penig. Parallel zum Horizont verlief der Verbindungsbogen zwischen Weiche 59 und 60. Letztere lag bis 2007 noch. Das Postenhaus in Insellage ist 2022 als Ruine vorhanden. Rechts ragt der Kirchturm von Obergräfenhain hervor.
[40] Der Haltepunkt Obergräfenhain lag unmittelbar vor dem Bahnübergang mit der Narsdorfer Straße / B 175 (heute Hauptstraße / S 247) und existierte von 1913 bis 1995. 1997 fand das Stationsgebäude im Gasthaus und Eisenbahnmuseum „Zum Prellbock“ in Lunzenau eine neue Heimat. Der Abort folgte 1999. Am Originalstandort erinnern 2022 noch die Bahnsteigkante und die Lampenmasten an einst.
[41] Der größte Kunstbau der RP-Linie befindet sich ebenfalls in Obergräfenhain. Regionaltypisch kam auch bei diesem Brückenbauwerk das Vulkanit „Rochlitzer Porphyr“ zum Einsatz.
[42] Die Haltestelle Langenleuba war seit 15. Juni 1901 ein Abzweigbahnhof. Zeitgleich mit der Eröffnung der Verbindung nach Kotteritz (- Altenburg) erfolgte die Umbenennung in Langenleuba-Oberhain. Mitte 1990 kam die Abstufung zum Haltepunkt, nachdem der Ast nach Penig zum Nebengleis des Bf Penig degradiert wurde.
[43] Der verwaiste Zustand im März 2000. Damals bereiste ich mit meinem Vater gezielt die Strecke, was leider nur noch gummibereift oder per pedes möglich war. Der Baustil des Empfangsgebäudes verrät, es entstand erst mit der Errichtung der Strecke von Altenburg im Jahre 1900.
[44] Die Gleise sind im Dezember 2015 längst abgebaut. Der Verfall der Gebäude schreitet unaufhörlich voran. Die ländliche Idylle, welche diesen Bahnhof auf der Hochebene abseits des Ortes einst kennzeichnete, wird jäh zerstört, wenn man weiß, dass wenige Meter weiter rechts die Autobahn verläuft. In Richtung Obergräfenhain vereinnahmt die BAB 72 die Bahntrasse und schwenkt kurz vor dem Viadukt nach links.
[45] Was wie eine zweigleisige Hauptbahn anmutet, sind die beiden Strecken nach Altenburg und Penig kurz hinter Langenleuba-Oberhain. Im Juni 1993 rollen die „Blutblasen“ noch zwischen Narsdorf und Altenburg. Das Gleis nach Penig ist bereits rostig.
[46] Der Blick auf die beiden Strecken aus der anderen Richtung am 14. Mai 1995. Die Leipzig-Plagwitzer 52 8154 bespannte 1994/1995 mehrere Scheingüterzüge zu Fotozwecken zwischen Altenburg und Rochlitz. 298 091 bediente gerade den Anschluss Schutt als die 52.80 eintraf.
[47] Im Gefälleabschnitt zwischen Langenleuba und Penig hatten vier Sandgruben sowie eine bahneigene Schuttabladestelle einen Gleisanschluss. Die Querung der damaligen B 175 war im Januar 2007 noch mit einer WSSB-Halbschranke gesichert. Bald wird der Bau der Bundesautobahn 72 hier nichts mehr übrig lassen.
[48] Die Kirschstraße querte die RP niveaugleich unweit von Arnsdorf. Wie so oft blieb das Postenhaus erhalten. Das Gleis ist hier im Herbst 2017 demontiert worden.
[49] Noch Ende der 1990er-Jahre wurde die bahneigene Schuttdeponie von Penig aus angefahren. 204 862 kämpfte sich am 26. Oktober 1998 mit einem Abraumzug die Steigung in Dittmannsdorf empor. Im Hintergrund grüßt die Stadtkirche Penig.
[50] Nach getaner Arbeit rollte 204 862 wieder zurück nach Penig und wurde von Dirk Schüttler ebenfalls in Dittmannsdorf erwartet. Rechts ist das Geländer des Viadukts erkennbar.
[51] Das Viadukt in Dittmannsdorf besitzt vier Öffnungen. Die Dorfstraße überspannte ein Betonträger. Dieser wurde nach dem Gleisabbau 2017 ausgehoben und auf Brücke und Widerlager abgelegt.
[52] Im Stadtgebiet von Penig ist die RP-Trasse ab 2017 fast vollständig überbaut worden. Nur der Bahnübergang Leipziger Straße am Bahnhof Penig existiert im März 2022 noch. Im Vergleich zur Muldentalbahn (rechts) liegt die RP hier schon merklich höher.
[53] Der Bahnhof Penig in der Endphase des Bahnbetriebs im September 2001. Zwischen Glauchau und Wechselburg pendelten die Züge seinerzeit im Vierstundentakt. Die Jahrhundertflut im August 2002 war der willkommene Anlass, auch den Restverkehr auf Bus umzustellen. Dem aufmerksamen Beobachter wird die Architektur des Gebäudes bereits bekannt vorkommen. Im Mai 1875 erfolgte der Lückenschluss zwischen Penig und Glauchau. Die alternative Route nach Rochlitz an der Zwickauer Mulde entlang folgte ein Jahr später.

Strecke Limbach (Sachs) – Wittgensdorf ob Bf

Mit der Streckeneröffnung gab es zunächst durchgängigen Verkehr zwischen Limbach und Chemnitz in Form kombinierter Reise- und Güterzüge (Pmg/Gmp). Auch auf der LW galt ab 15. Oktober 1878 der „Secundärbetrieb“. Genau wie Penig und Rochlitz war der Bahnhof Limbach zunächst ein Endbahnhof. 1897 kam die Linie nach Wüstenbrand hinzu und 1913 schließlich die Verbindung nach Oberfrohna.

[54] Der Bahnhof Limbach in der Blüte seines Daseins zirka 1914. Auf der Südseite konnte man ab Dezember 1897 in Züge nach Wüstenbrand einsteigen. (Brück & Sohn Kunstverlag)
[55] Im Januar 2021 sieht es an dieser Stelle deutlich ungemütlicher aus. Eine vielbefahrene Straße, Sichtschutzwände und die traurigen Reste des Empfangsgebäudes prägen das Bild. Die Flügelbauten werden gerade abgebrochen, der Rest war schon 2015 dran.
[56] Immerhin zweidimensional kann man das EG an historischer Stelle wieder betrachten. Mehrere Plakate erinnern an die Eisenbahn.
[57] Abschied nehmen hieß es auch in Limbach am Abend des 27. Mai 2000 von der Eisenbahn. 628 588 hatte die traurige Ehre der letzten Runden. Zahlreiche Eisenbahnfreunde haben sich auf den schon teilweise zurückgebauten Gleisanlagen eingefunden.
[58] Ungefähr bei km 2,6 LW durchtrennt die BAB 72 die Bahntrasse. Der Blick in Richtung Limbach auf den Schutzwall der Autobahn am 7. Januar 2006. Links stand noch das Vorsignal des Bf Hartmannsdorf. Die Gleislücke entstand im Herbst 2003 mit dem Beginn der Bauarbeiten für die Autobahn, welche seit 14. November 2006 auf diesem Abschnitt in Betrieb ist.
[59] In Hartmannsdorf befindet sich das Empfangsgebäude untypischerweise jenseits der Ladestraße. Es wurde 1889 errichtet. Am 31. März 2007 erinnerten 772 312 und 772 367 zu Fotozwecken an die Zeit dieser Baureihe zwischen 1995 und 1998 auf der LW. Das Bahnsteiggleis war zu diesem Zeitpunkt nicht nutzbar. Hinter den Gebäuden befand sich der Anschluss VEB Hartsteinwerk, der über ein eigenes Ausfahrsignal verfügte.
[60] Große Kunstbauten konnte die LW nicht aufweisen. Straßen und Wege wurden auf kleinen Brücken über- oder unterquert. Die frühere B 95 (heute K 8252) unterquert 294 663 mit einer Bedienung für das Großtanklager Hartmannsdorf im März 2013. Das Tanklager sichert die Existenz der Reststrecke als Bahnhofsgleis von Wittgensdorf ob Bf. Jenseits der Brücke zweigte seit 1976 der Anschluss zum VEB Gießerei „Rudolf Harlaß“ in Wittgensdorf (später Flender Guss GmbH, heute Sachsen Guss GmbH) rechts ab. Er wurde bis 2005 genutzt und 2014 abgebaut.
[61] In den letzten Betriebsjahren stellten die Durchbindung nach Chemnitz im Zweistundentakt und der Einsatz von 628.4 eine deutliche Angebotsverbesserung dar. Retten konnte es die Strecke aber nicht mehr. An einem Märzabend des Jahres 2000 verlässt ein 628.4 den oberen Bahnhof Wittgensdorf in Richtung Limbach.

Quo vadis? – Gibt es eine Zu(g)kunft für die drei Jubiläumsstrecken?

Drei Eisenbahnstrecken, die heute 150 Jahre alt sind bzw. wären, sind in diesem Beitrag behandelt worden. Wie sehen die Zukunftsperspektiven für diese Linien aus? Hier muss man differenzieren:

Neukieritzsch – Borna – Geithain – Chemnitz

Vergleichsweise rosig ist die Zukunft für die Schienenverbindung zwischen Leipzig und Chemnitz, zumindest in puncto Personenverkehr. Der Abschnitt (Leipzig Hbf – Bad Lausick -) Geithain – Chemnitz Hbf wird voraussichtlich in zehn Jahren elektrifiziert sein. Die Streckenkapazität wird sich im Zuge dessen wieder deutlich erhöhen, denn die Streckenabschnitte Narsdorf – Cossen und Burgstädt – Wittgensdorf ob Bf werden wieder ein zweites Gleis erhalten. Angestrebt ist eine 30-Minuten-Taktung der Nahverkehrszüge. Sehr wahrscheinlich wird es mit dem Abschluss der Elektrifizierung auch eine IC/ICE-Verbindung via Geithain geben. War doch die fehlende Oberleitung immer das Hauptargument von Politik und DB AG, dass es keine Fernverkehrsanbindung nach Chemnitz von Leipzig her geben kann. (Wie schaffen die das nur in Gera, Oberstdorf oder Westerland ohne Fahrdraht?)

Geplant ist, ab Dezember 2023 die lokbespannten Eilzüge durch batteriebetriebene Triebwagen zu ersetzen. Diese beschafft der Verkehrsverbund Mittelsachsen und schreibt sie dem künftigen Betreiber vor. (Analog wird es mit der BR 1440 seit Juni 2016 zwischen Dresden und Hof / Chemnitz und Elsterwerda praktiziert.) Nach Abschluss der Elektrifizierung sollen die Triebwagen zu reinen Elektrotriebwagen umgebaut und weiterverwendet werden. Als vorbereitende Maßnahme für den Einsatz der Batteriezüge elektrifizierte man in Chemnitz Hbf das Gleis am Bahnsteig 5 im Dezember 2021 wieder, damit die Züge sich über den Fahrdraht in der Wendepause abwechselnd am Bahnsteig 5 und 6 aufladen können. Es wird demzufolge in Chemnitz Hbf keine 6-Minuten-Wendezeit mehr geben. Dies wird der Fahrplanzuverlässigkeit zuträglich sein, da Folgeverspätungen vermieden werden.

Für den Schienengüterverkehr sieht die Prognose deutlich bescheidener aus. Sicherlich wird die Elektrifizierung zwischen Geithain und Chemnitz die Route für Durchgangsgüterverkehr attraktiver machen. Dies wird aber wohl nur zu Umleitungs-/Entlastungszwecken für den Fall, dass die Strecke Leipzig – Gößnitz – Werdau gesperrt ist, eine Rolle spielen. Ihre heute noch gewichtige Aufgabe für das Heizkraftwerk Chemnitz Nord II wird die Strecke nach heutigem Stand im Dezember 2023 verlieren. Die vollständige Umstellung von Braunkohle auf Erdgas als Energieträger soll dann vollzogen sein.

Rochlitz – Narsdorf – Penig

Um es kurz zu machen: Der Abschnitt Narsdorf – Penig ist Vergangenheit! Die Stadt Penig wird langfristig keine SPNV-Anbindung mehr haben, und wenn, dann nicht über die alte RP-Trasse. Diese ist, wie in Bildtexten weiter oben bereits erwähnt, teilweise zur vierspurigen BAB 72 umgewidmet worden.

Nicht ganz so hoffnungslos, aber reichlich ernüchternd, ist die Sachlage im Abschnitt Rochlitz – Narsdorf. Die Tatsache, dass die Große Kreisstadt Rochlitz seit nunmehr über zwanzig Jahren nicht mehr über einen Bahnanschluss verfügt, ist nicht weniger als ein großes Armutszeugnis aller an diesem Zustand Beteiligten! (Für die Strecke Glauchau – Rochlitz – Großbothen ist auch belegt, dass deren sukzessiver Niedergang nicht nur auf Unvermögen, sondern auf systematische Angebotsverschlechterung zurückzuführen ist. Das ist aber ein anderes Thema.)

Warum ist das so? Wie so oft sicher ein Konglomerat. Ein gewisser „Autobuslobbyismus“ um die Jahrtausendwende, Desinteresse von DB AG und lokaler Politik und das Grenzgebiet zwischen den Verkehrsverbünden sind dabei nicht zu unterschätzende Größen. Die fünf(!) sächsischen Verkehrsverbünde sind dafür bekannt, dass „über den Tellerrand blicken“ nicht zu ihren Kernkompetenzen gehört. Eine logische Folge dieser überdenkenswerten Kleinstaaterei im sächsischen ÖPNV.

Zum Zweck der Großen Kreisstadt Rochlitz – die wesentlich weniger Einwohner als Penig hat – wieder einen Bahnanschluss zu verschaffen, sind im Laufe der Jahre zwei Varianten (zer-)diskutiert worden:

  1. Leipzig – Grimma – Großbothen – Colditz – Rochlitz
  2. a) Chemnitz – Narsdorf – Rochlitz / b) Leipzig – Geithain – Rochlitz

Realistischer erscheint meines Erachtens Variante 2. (Was nicht heißt, dass Variante 1 nicht ebenso wünschenswert wäre.) Warum? Die Strecke Rochlitz – Narsdorf ist vollständig erhalten, vergleichsweise kurz und verfügt im Gegensatz zur Muldentalbahn über keine unterhaltungsaufwändigen Kunstbauten. Eine Direktverbindung Chemnitz – Rochlitz in zirka 30-35 Minuten wäre wohl unbestreitbar attraktiv. Investitionsbedarf gibt es vor allem bei der Wieder- bzw. Neuanbindung an das Streckennetz in Narsdorf. Wünschenswert wäre eine Verbindungskurve in Richtung Geithain/Leipzig oder das Flügeln in Narsdorf. Die Elektrifizierung und die Neuerfindung von Akku-Triebwagen lässt eine Anbindung an das Leipziger S-Bahnnetz greifbar erscheinen. Mitte 2020 bekundete der ZVMS öffentlich, die Reaktivierung zu unterstützen und Leistungen auf der Strecke bestellen zu wollen.

[62] So nah und doch so fern! Der Blick aus Richtung Rochlitz auf Narsdorf: Das Gleis endet im Nichts. Der Kohlenzug rollt aus Richtung Geithain nach Chemnitz.

Limbach-Oberfrohna

Limbach-Oberfrohna, eine Große Kreisstadt und deutlich einwohnerstärker als Rochlitz, teilt mit dieser den Umstand, seit über zwei Jahrzehnten nicht über eine SPNV-Anbindung zu verfügen. Immerhin steht aber bei „L-O“ fest, dass dies nicht so bleiben soll. Auch wenn es reichlich lange dauert, soll Limbach-Oberfrohna voraussichtlich in den späten 2030er-Jahren eine Anbindung an das „Chemnitzer Modell“ erhalten. Dies wird aber in weiten Teilen auf einer Neubaustrecke erfolgen. Der Haken über Hartmannsdorf und Wittgensdorf erscheint als zu großer Umweg. Die zwischenzeitlich favorisierte Variante auf Teilen der alten LWd-Trasse über Kändler und Röhrsdorf wird ebenso verworfen. Die Röhrsdorfer wollen dem VMS zufolge mehrheitlich keine Bahn. Zumindest wollen sie nicht auf den, dann parallelen, Busverkehr verzichten. Wenn die Straßenbahn dereinst das Chemnitz-Center von der Innenstadt her erreicht, rückt eine Verlängerung entlang der früheren B 95 und die Einbindung in die alte LW-Trasse im Bereich Ostring in greifbarere Nähe. Leider bekommt die Stadt Chemnitz es aber bis 2025 nicht einmal hin, den Innenstadtring zu vervollständigen – die erste Etappe der Neubaustrecke. Der Titel „Kulturhauptstadt 2025“ verlangsamt die Mühlen noch zusätzlich, will man in diesem Jahr doch keine innerstädtischen Großbaustellen haben. Und vorher fertig zu werden, ist keine Option. Chemnitz ist eine Autostadt, und wird es noch lange bleiben.

[63] Morgendämmerung im Bahnhof Limbach am 20. März 1996. Ob die Große Kreisstadt 40 Jahre später endlich wieder einen Bahnanschluss haben wird? (Im Hintergrund ist der Lokschuppen zu erkennen.)

Übrigens: Dass zum 150. Jubiläum der drei Bahnstrecken keine nennenswerten Festveranstaltungen bekannt sind, spricht auch Bände. Wobei das vor 50 Jahren auf den drei Linien ganz ähnlich war. Die Rbd Halle ignorierte das Jubiläum, während in Burgstädt – maßgeblich initiiert von Reichsbahn-Oberamtmann Günther Meyer – am 11. Juni 1972 (Tag des Eisenbahners) eine Festveranstaltung stattfand.

Quellen und Literaturhinweise

  • Berger, Thomas; Dietrich, Jochen: 125 Jahre Eisenbahn. Borna – Narsdorf – Wittgensdorf – Chemnitz. Rochlitz – Narsdorf – Penig. Limbach – Wittgensdorf. 1872 – 8. April – 1997, Festschrift, Sächsische Eisenbahngeschichte – Heft 2, Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde e.V. (Hrsg.) 1997
  • Herbach, Jens (2002-2022) [online] Sachsenschiene.de – Eisenbahnen in Sachsen, letzter Abruf 2022-03-06
  • Kluttig, Steffen: Schienenverbindungen zwischen Chemnitz und Leipzig, Bildverlag Böttger GbR, Witzschdorf 2006
  • Petrak, Andreas W.: Damals … Fotografische Erinnerungen an die Eisenbahnen Rochlitz – Narsdorf – Altenburg. Penig – Langenleuba-Oberhain, edition bohemica, Band 1, Goldkronach 2016
  • Bahnstrecke Neukieritzsch – Chemnitz – Wikipedia [online], letzter Abruf 2022-03-06
  • Bahnstrecke Rochlitz–Penig – Wikipedia [online], letzter Abruf 2022-03-27

Abkürzungsverzeichnis

Bf = Bahnhof
Bk = Blockstelle
BR = (Triebfahrzeug-)Baureihe
EG = (Bahnhofs-)Empfangsgebäude
Hbf = Hauptbahnhof
Hp = Haltepunkt
KC = Bahnstrecke Neukieritzsch – Chemnitz Hbf
LW = Bahnstrecke Limbach (Sachs) – Wittgensdorf ob Bf
LWd = Bahnstrecke Limbach (Sachs) – Wüstenbrand
Rbd = Reichsbahndirektion
RP = Bahnstrecke Rochlitz – Penig
SPNV = Schienenpersonennahverkehr
ZVMS = Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen

Der Autor bedankt sich recht herzlich bei den Herren Maik Ampft, Siegfried Bergelt, Jens Herbach (www.sachsenschiene.de) und Dirk Schüttler für das zur Verfügung gestellte Bild- und Datenmaterial!

© 2022 MBC

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