Abschied von einem alten Meister (ergänzt zum 10. Todestag)

Sein Zug hat die Endstation erreicht

… lautet die Überschrift der Traueranzeige.

Am 11.11.2015 starb Günter Meyer im gesegneten Alter von 88 Jahren. Meyer war nicht nur ein überaus sympathischer Mensch sowie Eisenbahner mit Leib und Seele, sondern er war auch ein bedeutender Chronist der Nachkriegszeit. Seine unzähligen Fotografien vom Eisenbahnbetrieb, seit den frühen 1950er-Jahren, sind ein beispielloses Lebenswerk.

Mich persönlich hat Meyers fotografische Sicht auf die Eisenbahn als Ganzes stark beeinflusst. Seine Aufnahmen zeigen, neben klassischen Fahrzeug-, Stationsportraits und Landschaftsaufnahmen, auch die von vielen übersehenen Details am Rande des Offensichtlichen. Ob verlotterte Wagenkästen, urige Signal- und Gleiskombinationen oder Relikte längst abgebauter Strecken – Günter Meyer hielt drauf.

[1-4] Auch unsere Streckenportraits profitierten schon mehrfach von Günter Meyers Fotografien. Dies ist der Hilfsbereitschaft von Dr. Manfred Meyer zu verdanken, der das Werk seines Vaters (und seines Onkels Hartmut!) in Ehren hält. An dieser Stelle vielen Dank für die stets unkomplizierte und schnelle Unterstützung!

Ein Vergleich vom Schaffen Günter Meyers mit den Digital-Knipsern der heutigen Zeit ist vermessen. Nicht nur, dass er die meisten Reisen in die entlegendsten Winkel selbstverständlich mit der Eisenbahn unternahm: Die Fotografie war in Zeiten von Stasi und Trapo ein überaus mutiges Unterfangen. Von den „Annehmlichkeiten“ unserer Zeit, wie Smartphones, Internet und Digitalfotografie, ahnte niemand etwas. Und gewiss war die Eisenbahn auch noch eine ganz andere – man ist fast verleitet zu schreiben „bessere“ – als heute. (In puncto Zuverlässigkeit kann es da keine zwei Meinungen geben.)

[5] Zur Beisetzung Günter Meyers weilte 86 333 wenige Meter entfernt im Auer Stadtgebiet.

Eine Kondolenzfahrt – stilvoll mit der Baureihe 86

Der Bedeutung Günter Meyers für die Eisenbahnszene gerecht werdend, organisierte die Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (EBB PRESS) am 17. November 2015 eine interne „Kondolenzfahrt“ von Glauchau über Zwickau nach Aue. Zum Einsatz kam die wenige Wochen zuvor von der PRESS übernommene 86 333. Somit kam nach 16 Jahren, 11 Monaten und 5 Tagen wieder eine 86er aus eigenem Antrieb in Meyers Heimatstadt. Eine Dampflokbaureihe, die wie kaum eine andere den Eisenbahnbetrieb im Erzgebirge geprägt hat. Während der Beisetzung Meyers auf dem Auer Nicolaifriedhof stand 86 1333 wenige hundert Meter entfernt auf dem ehemaligen zweiten Streckengleis, welches noch als Anschlussgleis der Nickelhütte diente.

[6] Günter Meyer war auch für seine Kreideanschriften zu besonderen Anlässen, wie Jubiläen und Streckenstilllegungen, bekannt. Zu seinen Ehren sollte 86 333 nun eine derartige Beschriftung erhalten. Am Abend des 16.11.2015 brachten Mike Robeck (li), MBC (re) und Holger Drosdeck die Schrift mit Schlämmkreide am Wasserkasten an.
[7] Am Morgen des 17.11.2015 hat der „Kondolenzzug“ Aue erreicht. Der Blick auf die andere Anschrift auf der Heizerseite.
[8] Der Zug befährt nun das Anschlussgleis zur Nickelhütte im Auer Stadtgebiet. Hier an der „Glück-Auf-Schranke“.
[9] Ein letzter Gruß für Günter Meyer wird durch die Dampfpfeife der 86er übermittelt.
[10] Der Zug fährt weiter, durch das Stadtgebiet von Aue nach Schwarzenberg. Zeitgleich öffnet der Himmel seine Schleusen. Momente, die sich einprägen!
[11] Nach Ergänzen der Vorräte geht die Fahrt weiter nach Cranzahl. Erstmals seit Ostern 1997 überquert eine 86 das Seitental der Großen Mittweida auf dem bekannten Markersbacher Viadukt.
[12] Günter Meyer in historischer Uniform auf dem Führerstand von 58 1800 anlässlich „100 Jahre CA-Linie“ im Bahnhof Zwönitz (1975). Möge er in Frieden ruhen!

Ein Dank an die EBB PRESS mbH, deren Lok- und Zugpersonal, für den gelungenen Abschied. Ebenfalls ein Dank an die Bildautoren dieses Beitrages, Holger Drosdeck und Siegfried Bergelt/SBC.

© 2015/2025 MBC

Wikipedia-Eintrag zu Günter Meyer

Traueranzeige in der Freien Presse

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