175 & 150 Jahre alte Schienenwege zwischen Löbau und Zittau

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wer sich eingehender mit sächsischer Eisenbahngeschichte beschäftigt, wird feststellen, dass eine Bahnlinie, die im Jahre 2023 bereits 175 Jahre alt wird, zu den älteren Hauptbahnen des heutigen Freistaats gehört. Bei der ersten Schienenverbindung zwischen Zittau und Löbau kommen noch ein paar interessante Umstände hinzu: Sie wird bereits ein Vierteljahrhundert nicht mehr durchgängig genutzt. Vielmehr fungiert heute die Strecke Bischofswerda – Zittau als betriebliche Einheit. Dabei handelt es sich aber, historisch betrachtet, um ein Sammelsurium aus, zu verschiedenen Zeitpunkten entstandenen, Streckenverbindungen.

Etwas übersichtlicher ist die Situation bei der 25 Jahre jüngeren Verbindung von Ebersbach nach Löbau, wobei es im wahrsten Sinne einige Überschneidungen mit der Zittauer Strecke gibt. Dies alles soll im Folgenden anlässlich der runden Jahrestage näher betrachtet werden. Bildlich begleitet wird dies aus Zeit- und Aufwandsgründen überwiegend mit eigenen Fotos, was zur Folge hat, dass lediglich die letzten 20 Jahre repräsentiert werden. Eine Zeit, in der die Blütezeit der Eisenbahn auch in der Oberlausitz längst vorbei war. Ein Ausflug zu diesem liebenswerten Landstrich lohnt sich aber nach wie vor! Für ein näheres Studium in Wort und Bild seien die Literaturhinweise am Ende eines Beitrages empfohlen – so auch hier.

Eines der dichtesten Schienennetze

Wie engmaschig das Streckennetz in der Oberlausitz einst war, sollen folgende Beispiele verdeutlichen: Wollte man von Löbau nach Bautzen reisen, gab es rein theoretisch u. a. folgende Optionen: den direkten Weg (GD-Linie), die Route über Cunewalde und Großpostwitz (GL-Linie), den Umweg über Ebersbach und Wilthen – Großpostwitz oder die große Runde über Bischofswerda. Und damit sind noch längst nicht alle Optionen der Streckenkarte ausgeschöpft! Gleichwohl die höchste Netzdichte koexistierte nur in einem schmalen Zeitfenster zwischen 1928 und 1945 vollständig. Ein weiteres Exempel für die Verbindung Löbau – Zittau: Die hier thematisierten Wege über Herrnhut oder via Ebersbach liegen am nächsten. Wobei ab Eibau wiederum eine längere Runde über Seifhennersdorf – Großschönau oder direkt nach Mittelherwigsdorf gewählt werden konnte. Der Weg über die GD-Linie via Görlitz und Hagenwerder wäre eine weitere Option gewesen.

Die meisten Teile dieses leistungsfähigen Schienennetzes verschwanden Ende der 1990er-Jahre von der Kursbuchlandkarte. Viele Alternativrouten haben neben hoher Flexibilät und einem flächendeckenden Angebot eben auch Nachteile. Beispielsweise, dass man sich gegenseitig Verkehre wegnahm.

Die Reaktivierung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs zwischen Ebersbach und Rumburk hielt sich von 1991 bis 2010. Bei all dem Schatten bleibt ein kleiner Lichtblick: Nach über acht Jahren Schienenersatzverkehr rollen seit 11. Juni 2023 wieder täglich Reisezüge aus Richtung Varnsdorf in den Bahnhof Seifhennersdorf.

Link zur Streckenkarte (wikipedia)

[1] Der Bedeutung eines Netzknotens gerecht werdend, besaß Löbau auch entsprechende Lokbehandlungsanlagen, die ab 1937 den Status Bahnbetriebswerk hatten. Das „Maschinenhaus“ befindet sich im Keil zwischen den Strecken nach Zittau/Ebersbach/Großpostwitz und Dresden/Radibor. Während die Gleise im heutigen Domizil der Ostsächsischen Eisenbahnfreunde e.V. gerade erneuert werden, ist an Bahnhofsgleisen für heutige Bedarfe kaum etwas geblieben. Mit der Umstellung auf elektronische Stellwerkstechnik Mitte 2006 verlor der Bahnhof den Großteil seiner Gleise. 642 309 und ein weiterer rollten am 11. August 2023 als RE2 von Ebersbach her auf dem verbliebenen Gleis ein. Von Juli bis September’23 leitete man die im Zweistundentakt verkehrenden Regionalexpresszüge der Relation (Liberec -) Zittau – Dresden Hbf über Löbau um. Der Grund waren Bauarbeiten zwischen Wilthen und Ebersbach.

175 Jahre Bahnstrecke Zittau – Löbau

Geschichtlicher Abriss

Der Abbau von Braunkohle im Raum Zittau/Hirschfelde begründete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Industriezeitalter in der Oberlausitz, die bis dahin vor allem von der Handweberei geprägt war. Die zunehmende Differenzierung und Technisierung industrieller Erzeugnisse erforderte den schnellen Austausch von Rohstoffen.

Die Inbetriebnahme der Hauptbahn Görlitz – Dresden, die in Etappen zwischen 1845 und 1847 unter Ägide der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahngesellschaft vollzogen wurde, stellte die erste Bahnanbindung der Region dar. Zeitgleich reiften die Bemühungen um einen in Löbau beginnenden Zweig nach Zittau. Erste Ideen Ende der 1830er-Jahre sahen diese Strecke mit Pferdebetrieb(!) vor. Wie damals üblich erhielt eine private Kapitalgesellschaft die Konzession für Bau und Betrieb, in diesem Fall die Löbau-Zittauer Eisenbahngesellschaft. Das hügelige Terrain erforderte zahlreiche Kunstbauten. Die gesamte Trasse wurde für eine spätere Zweigleisigkeit angelegt, so auch die Steinbogenviadukte. Der öffentliche Zugbetrieb begann am 10. Juni 1848. Vier Tage vorher unternahm die Lokomotive „Löbau“ die erste Probefahrt auf der Gesamtstrecke. Der erste Fahrplan sah drei Zugpaare mit 55 Minuten Fahrzeit vor.

[2] Streckenskizze der ZL-Linie mit Nebenästen (Kroll, 1973)

Die Geschichte lehrt, dass die meisten Privatbahnen beizeiten verstaatlicht worden sind. Bei der Zittau-Löbauer Strecke war dies durch die Betriebsübernahme der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen ab 1851 der Fall. Ab 1871 ging die Strecke dann auch in deren und damit in Staatseigentum über. Eine erste betriebliche Unruhe brachte 1866 der Deutsche Krieg für die grenznahe Bahnlinie. Um Kosten zu sparen, stufte man 1903 den Abschnitt Oberoderwitz – Neucunnersdorf zur Nebenbahn herab. Vorsignale und einige Schrankenposten konnten dadurch u. a. eingespart werden. 1923 folgte der Abschnitt bis Löbau.

Auch für diese Bahnlinie stellte der Zweite Weltkrieg eine herbe Zäsur dar. Kurz vor Kriegsende sprengte die Wehrmacht große Teile der sechs Viadukte in Mittelherwigsdorf (2), Oberoderwitz, Ruppersdorf, Herrnhut und Großschweidnitz sowie die Brücke in Altlöbau. Der durchgängige Zugverkehr wurde nur drei Monate später wieder aufgenommen. Die Brücken konnten zunächst nur mit Interimslösungen wiederhergestellt werden. Die zahlreichen Langsamfahrstellen dehnten die Fahrzeit anfangs auf zwei Stunden.

Das Verkehrsaufkommen war auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur politischen Wende enorm. Die Strecke profitierte auch von dem Umstand, dass Teile der Verbindung Zittau – Görlitz nun zu Polen gehören und deren Nutzung damit teurer wurde. Über viele Jahre wurden über die ZL auch Eilzugverbindungen geführt, u. a. von und nach Berlin, Cottbus, Oebisfelde und Stralsund. In den 1980er-Jahren investierte die Deutsche Reichsbahn in die Strecke, erneuerte den Oberbau und rationalisierte in Mittelherwigsdorf, Herrnhut und Niedercunnersdorf die Stellwerkstechnik. Seit 1982 herrschte zwischen Zittau und Oberoderwitz wieder durchgängig zweigleisiger Betrieb. Die Ende der 1980er-Jahre erwarteten Mehrverkehre durch verstärkten Braunkohleabbau im Raum Zittau/Olbersdorf kamen durch den Fall des Eisernen Vorhangs nicht mehr zustande.

[3] Diese Aufnahme soll exemplarisch drei Lokomotivbaureihen repräsentieren, welche den Betrieb auf der ZL im 20. Jahrhundert entscheidend prägten, von links beginnend: die Einheitstenderlok der Baureihe 86, die sächsische XI HT (spätere BR 94.20) und die XIV HT (BR 75.5). Für die rechts abgebildete 75 501 gilt dies auch wortwörtlich, denn sie war zwischen 1947 und 1967 stets in Zittau, Löbau oder kurzfristig in Görlitz stationiert. (Die Aufnahme entstand am 04.05.2008 im Eisenbahnmuseum Schwarzenberg.)

Nach 1990 ging der Güter- und Berufsverkehr wie fast überall in den nun Neuen Ländern schlagartig zurück. Dennoch schien die Strecke mit der Einführung eines Taktfahrplans (1993) im Reiseverkehr zukunftsfähig. Zwischen Zittau und Löbau konnte man stündlich alternierend über Herrnhut oder Ebersbach reisen. Beide Routen teilten sich die Kursbuchnummer 236. Die Entscheidung, den Reiseverkehr via Herrnhut aufzugeben, griff zum Fahrplanwechsel ab 24. Mai 1998. Zuvor hatte der Landkreis Löbau-Zittau gegen die SPNV-Abbestellung durch die LVG verwaltungsrechtlich Klage eingereicht, zog sie aber später zurück. Der Güterverkehr nach Herrnhut, von Löbau her, hielt sich bis Jahresende 2001, ehe er ein Opfer von MORA C wurde. Seither ist der Abschnitt Oberoderwitz – Niedercunnersdorf gänzlich von Verkehr befreit. Der Abschnitt Zittau – Oberoderwitz ist als Teil der Verbindung Zittau – Bischofswerda – Dresden weiterhin voll in Betrieb, wobei der Güterverkehr auch hier keine Rolle mehr spielt.

Formaljuristisch wurden die Abschnitte Oberoderwitz – Herrnhut und Herrnhut – Niedercunnersdorf 1999 und 2003 stillgelegt. Eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken (= Entwidmung) und der Gleisrückbau erfolgten jedoch nicht. 2007 pachtete die Deutsche Regionaleisenbahn GmbH den Abschnitt Löbau – Oberoderwitz. Den ungenutzten Abschnitt Niedercunnersdorf – Oberoderwitz will sie seit 2012 an DB Netz zurückgeben. Der Landkreis Görlitz ist mittlerweile bemüht, dieses Streckenstück zu kaufen, um darauf – mancher mag es bereits ahnen – einen Radweg zu errichten. Im Herbst 2019 lag das Planfeststellungsverfahren für den Rückbau der Gleise zwischen Oberoderwitz und Niedercunnersdorf öffentlich aus. Die Denkmalschutzbehörde erhob Einwand, da die Strecke als Sachgesamtheit unter deren Schutz gestellt worden ist.

Streckenverlauf & Betriebsstellen

Die aktuelle Kilometrierung der Linie Zittau – Oberoderwitz – Löbau bildet eine Einheit mit der 1859 eröffneten Linie Reichenberg (heute: Liberec) – Zittau. Deshalb ist im Bahnhof Zittau der Streckenkilometer 26,749 und in Löbau der km 60,701. Wir beginnen unsere Reise aber im Bahnknoten Löbau und legen den Schwerpunkt auf den Streckenabschnitt bis Oberoderwitz. Den Bahnknoten Zittau blenden wir in diesem Beitrag gänzlich aus.

Bf Löbau (Sachs) (km 24,23 GD / 60,70 ZL / 14,58 EL / 19,39 GL / 0,00 LR)

Wie die in der Teilüberschrift verwendeten Kilometrierungen verraten, war Löbau ein waschechter Eisenbahnknoten. Von der Görlitz-Dresdner Bahn zweigten im Laufe der Zeit Linien nach Zittau, Ebersbach, Großpostwitz und Radibor ab.

[4] Nochmals eine ähnliche Perspektive auf die Einmündung der relevanten Linien in Löbau. Die linke Kleindiesellok steht auf dem Reststück der GL-Linie, welche von 1928 bis 1997 vollständig in Betrieb war. Ein Sonderzug mit Uerdinger Schienenbussen erreicht den Bahnhof von Ebersbach kommend. Das DDR-Pendant steht in Form einer LVT/LVS-Garnitur vor dem Schuppen der OSEF. Im August 2010 war das ehemalige Gleisfeld der Kopfgleise im Vordergrund noch weniger überwuchert. Die meisten Reisezüge aus diesen Richtungen endeten im Kopfbahnhof. Güterzüge querten die Hauptgleise, um in den großen Güterbahnhof zu gelangen. Seit Juni 2006 ist nur der Hausbahnsteig (Streckengleis Dresden – Görlitz) noch mit der Zittauer/Ebersbacher Linie direkt verbunden.
[5] Im Stadtteil Altlöbau quert die Bahn mittels Steinbogen den Bach Seltenrein und die Altlöbauer Straße. Die badische G12, 58 311, weilte für Filmaufnahmen in der Region und wurde von den OSEF kurzerhand für eine Fotozugaktion auf der EL genutzt. Bei bestem Winterwetter dampfte sie am 23. März 2013 in Richtung Ebersbach. Im Hintergrund ist die Pfarrkirche St. Nikolai im nahen Stadtzentrum erkennbar. Die BR 58 kam vereinzelt vor 1945 und ab 1968 nochmals kurzzeitig vom Bw Zittau aus zum Einsatz.

Bk Landesanstalt (bis 1927: Po 6a; bis 1949: Bk Großschweidnitz; km 57,40 ZL / 11,28 EL)

Nach dem Rückbau des Streckengleises der EL zwischen Abzw. Höllengrund und Löbau wandelte man den Schrankenposten in eine Blockstelle um. Die Auflassung der Betriebsstelle datiert im März 1975.

Hp Großschweidnitz (km 56,15 ZL / 10,03 EL)

Der Haltepunkt entstand in Verbindung mit der Inbetriebnahme der „Königlichen Landesheil- und Pflegeanstalt“ am 1. Mai 1904. Für Baustofftransporte zu dieser damals größten psychiatrischen Einrichtung Sachsens errichtete man 1899 einen Gleisanschluss (angebunden an das ZL-Gleis), der noch bis 1969 existierte. In den 1980er-Jahren erhielt die Station eine neue Bahnsteigbeleuchtung und ein standardisiertes Betonwartehäuschen ersetzte die ursprünglichen Stationsgebäude.

[6] Der Haltepunkt Großschweidnitz macht auch heute noch einen gepflegten und vollständigen Eindruck. Ab und an bieten die OSEF Sonderfahrten zwischen Löbau, Ebersbach und Rumburk an. Am 13. Oktober 2019 verließen Steuerwagen 972 502 und Motorwagen 772 413 die Station in Richtung Ebersbach. Die Leichtverbrennungstriebwagen kamen ab 1965 zeitweise planmäßig hier zum Einsatz.

Viadukt Höllengrund (Länge: 115,5 m; km 55,00 ZL / 8,88 EL)

Das Höllengrundviadukt über das Großschweidnitzer Wasser besitzt sieben Öffnungen. Die Grundsteinlegung erfolgte am 28. September 1846. Zwischen 1873 und 1945 trug die Brücke zwei Streckengleise. Am 8. Mai 1945 sprengten Truppen der Wehrmacht den mittleren Brückenbogen. Durch ein Provisorium mittels Stahlträger konnte bereits am 4. August 1945 der erste Zug im Schritttempo die Brücke passieren. Die endgültige Wiederherstellung erfolgte in mehreren Bauabschnitten. Die Brüstung aus Natursteinen verlor die Brücke in den 1980er-Jahren im Zuge einer Erneuerung der Fahrbahnwanne.

[7] Wie die meisten Fotomotive an der Strecke wächst auch das Großschweidnitzer Viadukt mehr und mehr zu. Im August 2006 waren noch rund 50 % des Bauwerkes einsehbar. Der im Bild rechte Bogen entstand nach dem Krieg neu. VT 612 kamen im letzten Jahr des Reiseverkehrs zwischen Löbau und Ebersbach (2002) planmäßig hier zum Einsatz. Bei diesem hier handelt es sich allerdings um einen umgeleiteten Regionalexpress.

Abzw Niedercunnersdorf, W 15 (bis 1981: Abzw Höllengrund; km 54,95 ZL / 8,84 EL)

Mit den schweren Zerstörungen durch die Wehrmacht in der Endphase des Zweiten Weltkrieges endete die Betriebsführung mit zwei separaten Streckengleisen zwischen Löbau und Großschweidnitz. Bei der Wiederaufnahme des durchgängigen Betriebes am 4. August 1945 ging eine Abzweigstelle nahe des Höllengrundviaduktes in Betrieb. Zunächst sicher nur als Provisorium gedacht, erfolgte die Bedienung der Abzweigweiche von einer Holzbude aus, welche sich auf Zittauer/Ebersbacher Seite des Höllengrundviadukts befand. 1966 errichtete man ein massives Stellwerksgebäude am jenseitigen Brückenkopf. Seit 1981 wird die Abzweigstelle vom Bf Niedercunnersdorf aus fernbedient.

[8] 1966 errichtete man nahe des Blocksignals auf Löbauer Seite ein massives Stellwerksgebäude. Es steht aus Richtung Löbau unmittelbar vor dem Großschweidnitzer Viadukt, während die Abzweigweiche jenseits davon liegt. 1981 ersetzte das EZMG im Bf Niedercunnersdorf die ortsbediente Abzweigstelle und damit verlor das Gebäude seine Hauptfunktion.

Bf Niedercunnersdorf (bis 1923: Neucunnersdorf; km 53,60 ZL)

Neucunnersdorf ging knapp drei Monate nach der Streckeneröffnung zunächst als reiner Haltepunkt in Betrieb. 1874 kamen erste Anlagen für den Güterverkehr hinzu, damit erhob man die Station zum Bahnhof. 1979 modernisierte man die Leit- und Sicherungstechnik. Der Bahnhof ist heute als letzte Zwischenstation auf unseren Jubiläumslinien noch im Wesentlichen im Zustand der späten (D)DR-Zeit konserviert, wenn auch seit 24. Mai 1998 de facto ein reiner Güterbahnhof. Für regelmäßigen Güterverkehr sorgen nach wie vor zwei Anschließer links und rechts des eigentlichen Bahnhofs.

[9] Die Schranken sind geschlossen, die Uerdinger setzen ihre Fahrt in Richtung Herrnhut fort, könnte man meinen. Leider nein, denn auch für diesen Sonderreisezug war am 21. August 2010 hier Endstation bzw. Wenden angesagt. Am EG ist der Stellwerksanbau B1 erkennbar, der seit 1979 EZMG-Technik beherbergt, die den Bahnhof inklusive Abzweig Höllengrund/W 15 steuert.
[10] Unmittelbar südöstlich vom EG befindet sich der BÜ Löbauer Straße / S 148, der mittels Vollschranke gesichert wird. 204 012 der EBB PRESS mbH muss ihn für einen Rangiervorgang am 12. Mai 2015 passieren. 130 Meter weiter rechts befindet sich mit der Neucunnersdorfer Straße ein weiterer genutzter Bahnübergang, der seine Vollschranken aber mittlerweile verloren hat.
[11] Unverwüstlich leistete die Werklok 1 (LKM-Nr. 252268, Bj.: 1961) seit Dezember 1973 ihren Rangierdienst im Anschluss der BayWa AG vormals VEB Getreidewirtschaft Görlitz, BT Niedercunnersdorf, welcher sich unmittelbar südwestlich des Bahnhofs befindet. Ihr Markenzeichen war der Mercedes-Stern. Mittlerweile hat ein Zweiwege-Unimog die Rangieraufgaben übernommen. (Bild vom 21.04.2006)
[12] Ein Gashändler bezieht im Bf Niedercunnersdorf nach wie vor Fracht mittels Flüssiggaskesselwagen. Von März 2015 bis Mai 2023 oblag den OSEF die Bedienung dieses Anschlusses, nun hat DB Cargo das wieder übernommen. (Bild vom 12.05.2015)

Viadukt Obercunnersdorf (Länge: 122 m; km 50,70 ZL)

Als einziges der sieben großen Viadukte der ZL blieb dieses von der sinnlosen Kriegszerstörung weitgehend verschont. Diesem Umstand könnte es zu verdanken sein, dass die Brücke ihre ursprüngliche Brüstung aus Natursteinen bis heute vollständig behalten hat. Diese wurde bei den anderen Bauwerken beim Neuaufbau – teils auch später – durch Metallgeländer ersetzt (in Herrnhut nur teilweise).

[13] Malerisch fügt sich das Obercunnersdorfer Viadukt in die Ortschaft ein, die eine Vielzahl an Umgebindehäusern ihr Eigen nennt und als Ganzes unter Denkmalschutz gestellt ist. Der ursprüngliche Bahnsteig reichte rechts bis auf die Brücke! Die Aufnahme entstand im August 2006.

Hst Obercunnersdorf (km 50,37 ZL; bis 1875: 50,58 ZL)

Die Haltestelle ging mit der Streckeneröffnung zunächst einige Meter weiter westlich in Betrieb. Kurioserweise befand sich die erste Wartehalle auf dem Viadukt. Die offizielle Verlegung der Station datiert auf den 5. April 1875. Der Güterumschlag spielte erst ab Dezember 1877 hier eine Rolle. 1908 entstand in Hanglage ein massiveres Stationsgebäude. Zum Jahresanfang 1995 schloss die Fahrkartenausgabe. Der unmittelbar in südlicher Nachbarschaft befindliche Schrotthändler nutzte die Bahn noch bis kurz nach der Jahrtausendwende.

[14] Das fotogene Stationsgebäude existiert in seiner aktuellen Form seit 1909. (Es ist architektonisch dem des Hp Annaberg-Buchholz Mitte sehr ähnlich, welcher 1902 entstand.) Im August 2006 zeigte es sich bereits zugenagelt und verlassen. Rechts des Bildes nutzte ein Schrotthändler den Gleisanschluss.

Bf Herrnhut (km 45,45 ZL / 0,00 HB)

Die Kleinstadt Herrnhut ist in der Adventszeit durch ihre Weihnachtssterne in aller Munde. Im Zuge der Errichtung einer schmalspurigen Zweigbahn nach Bernstadt erfuhr der Bahnhof 1893 umfangreiche Erweiterungen. Als Gütertarifpunkt konnte sich die Station noch bis 2002 halten. Seither ruht hier jeglicher Schienenverkehr. Das Empfangsgebäude beherbergte in den 1990er-Jahren ein Künstleratelier, stand allerdings später leer. Renoviert und belebt mit verschiedenen Geschäften ist es seit 2017 wieder ein Aushängeschild des Ortes geworden.

[15] Erfreulicherweise hat das Herrnhuter EG jahrelangen Leerstand und einen Brand (2012) überlebt und erstrahlt seit wenigen Jahren wieder in altem Glanz. Der Mittelbau wurde 1866 fertiggestellt, der hintere Flügel kam 1893 hinzu und 1910 schließlich der vordere Flügel. Von 1893 bis 1945 nahm hier eine Schmalspurbahn nach Bernstadt ihren Anfang. Deren drei Gleise befanden sich im Vordergrund, heute das Territorium des Omnibusses.

Viadukte in Herrnhut (Länge: 100,5 m; km 44,50 ZL), Ruppersdorf (Länge: 80 m ; km 42,17 ZL) & Oberoderwitz (Länge: 103 m; km 38,73 ZL)

Alle drei Bauwerke besitzen jeweils fünf Bögen und waren von den Sprengungen im Mai’45 schwer betroffen: in Herrnhut sprengte man zwei Bögen, in Ruppersdorf einen. Das Oberoderwitzer Viadukt weist seit der Sanierung eine Besonderheit auf: Bei der Erneuerung der Fahrbahnwanne ca. 1990 erhielt diese vier Konsolen für Oberleitungsmasten.

[16] Das Ruppersdorfer Viadukt kann mit fünf Öffnungen aufwarten. Am rechts sichtbaren Bogen kann man die reparierten Kriegsschäden noch gut nachvollziehen.

Hp Ruppersdorf (km 42,01 ZL)

Dieser Haltepunkt wurde am 15. Oktober 1879 in Betrieb genommen. Von 1930 bis 1967 gab es hier auch ein Anschlussgleis (km 42,17 ZL), das von der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft genutzt wurde.

[17] Der Haltepunkt war mir im März 2015 zumindest einen „Fernschuss“ wert. Von links nach rechts erkennbar sind das Stationsgebäude, das Postenhaus und die Vollschranke, welche bis zur Einstellung des Reiseverkehrs (23.05.1998) durch einen Schrankenwärter bedient worden ist. Da man bei diesem Eisenbahner auch Fahrkarten erwerben konnte, war Ruppersdorf quasi ein besetzter Haltepunkt. Das Ladegleis der BHG befand sich rechts des Bildes.

Bf Oberoderwitz (seit 1999: Hp; km 38,37 ZL / 0,00 OW)

Der Lückenschluss zwischen Oberoderwitz und Wilthen vollzog sich in vier Etappen zwischen 1874 und 1879 und hatte Erweiterungen des nunmehrigen Abzweigbahnhofs zur Folge. 1878 ersetzte ein Güterschuppen den Vorgänger, hinzu kam ein Lokschuppen. Ab 1902 hatte der Bahnhof drei Stellwerke. Das Befehlstellwerk 2 befand sich im EG. Dies währte bis 18. Dezember 1999. Seither ist der Bahnhof selbst zum Haltepunkt reduziert worden. Wenige Streckenmeter südöstlich schließt sich die Überleitstelle in den zweigleisigen Abschnitt gen Zittau an.

[18] Der Blick auf den Bf Oberoderwitz aus Richtung Zittau im Februar 2009 – oder was davon noch übrig war: Der Löbauer Bahnhofsteil ist vom Netz abgetrennt und zugewuchert. Nur ein Gleis (links) wird noch in Richtung Bischofswerda genutzt. Damals noch besetzt für die Überleitstelle war das Stellwerk B1 (bis 18. Dezember 1999: W1), welches auch den BÜ Bäckergasse im Rücken des Betrachters bediente. 2012 wurde all dies automatisiert und das Bauwerk abgerissen.
[19] Das EG von Oberoderwitz, erbaut 1862/63 und erweitert 1878, betrachtet von der Löbauer Seite. Rund zehn Jahre nach der Aufgabe dieses Bahnhofsteils hatten die Birken das Terrain längst erobert.

Streckenabschnitt Oberoderwitz – Zittau

Kurz hinter dem heutigen Hp Oberoderwitz befindet sich eine Überleitstelle, ab hier ist die Strecke bis Zittau seit 1982 zweigleisig. Bei km 36,55 ZL befindet sich der Hp Niederoderwitz. Auch dieser Abschnitt weist mit dem Viadukt Mittelherwigsdorf (km 32,86 ZL), dem Mandauviadukt (km 31,16 ZL) und der EÜ Schülertal (km 30,52 ZL) drei größere Brückenbauwerke auf.

[20] In Niederoderwitz passiert die Trasse eine der größten Kirchen der Oberlausitz. Das ab 1719 im barocken Stil erbaute Gotteshaus wurde 1726 geweiht. 105 015 war am 17. März 2015 mit dem Nahgüterzug aus Löbau bzw. Niedercunnersdorf auf dem Weg nach Zittau.

Viadukt Mittelherwigsdorf (Länge: 124 m; km 32,86 ZL)

Dieses Viadukt über die Mandau – unmittelbar nördlich des heutigen Hp Mittelherwigsdorf gelegen – sticht architektonisch heraus. Ursprünglich stand hier ebenfalls ein Steinbogenviadukt. Ein Pfeiler wurde am 7. Mai 1945 gesprengt. Der Wiederaufbau gewährte nur noch eingleisigen Betrieb. Die Deutsche Reichsbahn ersetzte das Bauwerk ab 1974 komplett durch eine Neukonstruktion mit stählernen Überbauten, welche ab 1980 auch zweigleisig befahren werden konnte. 2012 wurde das Bauwerk abermals umfangreich saniert, u. a. die Pfeiler erneuert und die Überbauten mit Korrosionsschutz versehen.

[21] Zwei 642 rollten im August 2023 über die Mandau auf der 1974 und 2012 erneuerten Brücke.

Bf Mittelherwigsdorf (Sachs) (bis 1927: Scheibe; km 32,69 ZL / 0,17 MWE)

Mit der Eröffnung des Betriebes der Stichbahn Zittau – Großschönau zum Jahresbeginn 1868 entstand die Hst Scheibe in Keillage beider bis hierhin von Zittau her parallel verlaufenden Linien. Die Großschönauer Strecke nutzte das Planum des bis dahin nicht realisierten zweiten Gleises der ZL – genauso wie es ab 1873 auf Löbauer Seite die Ebersbacher Linie tat. Bis September 1876 war die Großschönauer Zweiglinie etappenweise über Warnsdorf (heute: Varnsdorf) und Seifhennersdorf bis Eibau verlängert worden. Der Status Bahnhof galt ab Mai 1902. Wie auf vielen Bahnhöfen in der Region investierte man auch hier 1980 in zentralisierte Stellwerkstechnik. Im Oktober 2010 ist der Bahnhof zur ferngesteuerten Abzweigstelle mit Haltepunkt herabgestuft worden. Das örtliche Stellwerk B1 (bis 1980: B2) ist funktionslos 2023 noch vorhanden.

[22] In Mittelherwigsdorf mündet die Strecke von Eibau via Großschönau (MWE-Linie) in Richtung Zittau ein. Diese Strecke verläuft in einem sogenannten Korridorabschnitt durch das tschechische Varnsdorf. Sehr zur Freude der Fotografen war einem ČD-Reisezug aus Richtung Varnsdorf am 17. August 2006 der „Transistor“ 743.001 vorgespannt. Der Zug hat soeben den Bahnhof Mittelherwigsdorf verlassen und rollt auf Zittau zu.

150 Jahre Bahnstrecke Ebersbach (Sachs) – Löbau

Geschichtlicher Abriss

Diese Strecke ist als Teil einer geplanten Süd-Nord-Verknüpfung zwischen Böhmen und Südostsachen, teils über österreichisches Territorium, entstanden. Mitte August 1871 begannen die Bauarbeiten auf der abgesteckten Trasse. Nach reichlich zwei Jahren Bauzeit konnte die als EL-Linie bezeichnete Verbindung am 1. November 1873 den Betrieb aufnehmen. Am selben Tag ging auch die Strecke Bakov nad Jizerou – Ebersbach vollständig in Betrieb, welche von der k.k. privilegierte Böhmische Nordbahn-Gesellschaft gebaut und bis 1908 von ihr betrieben wurde. Vom Großschweidnitzer Viadukt bis nach Löbau nutzt die EL das Planum des nicht zustande gekommenen zweiten Streckengleises der ZL. Betrieblich handelte es sich um zwei separate Strecken, die knapp sechs Kilometer parallel verliefen. Insbesondere vor und nach Dürrhennersdorf ist die Strecke steigungsreich mit maximaler Neigung von 1:62. Dies spiegelte sich in den Fahrzeiten wider: Bergwärts nach Ebersbach 36 min und gen Löbau 27 min.

1923 stufte man die EL zur Nebenbahn herab. Acht Reisezugpaare und Durchgangsgüterverkehr waren lange Zeit Standard. Am 14. Dezember 2002 fiel auch auf dieser Verbindung der SPNV dem Rotstift zum Opfer. Seit 2007 ist die DRE der Infrastrukturbetreiber. Regelmäßigen Verkehr gibt es in Form des wöchentlichen Güterzugpaares Löbau – Niedercunnersdorf – Zittau (siehe [12][20][28]).

Streckenverlauf & Betriebsstellen

Da sich die EL die Trasse zwischen Löbau und Großschweidnitz, Abzweig Höllengrund, mit der ZL teilte, wird auf diesen Abschnitt an dieser Stelle nicht noch einmal eingegangen.

EÜ Dürrhennersdorf (km 6,41 EL)

Hier befand sich eine Steinbogenbrücke mit vier Öffnungen und 47,5 m Länge. Wie die meisten Bauwerke der ZL wurde auch diese im Mai 1945 von der Wehrmacht gesprengt. Ein Wiederaufbau erfolgte nicht, stattdessen senkte man bis August’45 die Trasse in diesem Bereich provisorisch ab und verlegte darauf ein Umgehungsgleis auf 600 m Länge. Mehrfach blieben Züge hier liegen. 1957 schloss man die alte Dammlücke durch einen einfachen Betondurchlass, um die Senke wieder abzuschaffen.

Hp Dürrhennersdorf (bis 1995 Bf; km 5,91 EL / 12,04 TD)

Die Status Hst und Bf wechselten in den ersten Jahrzehnten des Bestehens mehrfach. Größere Erweiterungen kamen 1892 mit der schmalspurigen Zweiglinie nach Taubenheim (an der Strecke Oberoderwitz – Wilthen). Die Folgen des Zweiten Weltkrieges brachten das Ende des „Klimperch“, wie die Schmalspurbahn im Volksmund hieß. Der Regelspurbahnhof behielt aber eine gewisse betriebliche Bedeutung. 1989 ging ein EZMG in Betrieb. Mit dessen Auflassung im Januar 1995 nach weniger als sechs Jahren blieb nur ein Haltepunkt. Dessen betriebliche Rolle endete mit der SPNV-Einstellung im Dezember 2002.

[23] Von der früheren Bedeutung zeugt anno 2023 noch das Bahnhofsgebäude, das 1873 erbaut und 1892 erweitert worden ist. Der RE2 nach Dresden rollte am 11. August ohne Halt daran vorbei. Der BÜ Bahnhofstraße wird durch eine Halbschrankenanlage aus DR-Zeiten gesichert. Eine weitere dieser Art konnte sich auf der Strecke am Ortseingang Löbau (BÜ Neusalzaer Straße) bis heute halten.
[24] Ein Motivklassiker ist der Kirchblick von Dürrhennersdorf mit dem Bahnwärterhaus. Das den Bildaufbau empfindlich störende Signal überwacht die in [23] sichtbare Halbschrankenanlage.
[25] Am Ortsausgang von Dürrhennersdorf, kurz vor dem Scheitelpunkt der Strecke, befindet sich ein weiteres Bahnwärterhaus, das heute privat bewohnt wird. 50 3648 des SEM zog am 13. Oktober 2019 für Freunde von Militärfahrzeugen einen solchen Transport von Löbau nach Zittau. Ich erwischte den Zug beim Warten auf die Ferkeltaxe rein zufällig. Der Triebwagen folgte dem Zug dann verspätet. Planmäßig kam die Baureihe 50.35 nicht hier zum Einsatz. Die Endphase der Dampflokzeit prägten hier vor allem die Baureihen 52 und 52.80.

Anst VEB Natursteine Löbau (km 1,25 EL)

1902 verpachtete die Stadt Zittau eine Teilfläche des Berges Klunst an einen privaten Steinbruchbetrieb. Trotz zahlreicher regionaler Proteste und Einwände wurde der Berg mehr und mehr abgetragen. Seit 1967 die Bremsberganlage vom Brecherwerk zur Verladevorrichtung am Anschlussgleis stillgelegt wurde, transportierten Lastkraftwagen das gebrochene Material zum Bahnhof Ebersbach. 40 Jahre später reaktivierte man die Bahnverladung vor Ort, allerdings ohne Anschlussgleis. Nach Anwohnerprotesten wurde dies nach wenigen Jahren wieder beendet.

[26] Von 2007 bis Anfang der 2010er-Jahre verlud man Abbruch vom benachbarten Steinbruch Klunst direkt am Streckengleis in Ganzzüge. Mit einem Sonderzug passierte 52 8080 am 22. April 2011 den temporären Verladepunkt. Sie war von 2003 bis 2013 das betriebsfähige Dampfross der OSEF.

Viadukt Ebersbach (Länge: 151,5 m; km 0,54 EL)

Mit 13 Bögen ist dieses das Spreetal querende Bauwerk, die längste aller hier behandelten Brücken. Sie blieb von Zerstörungen verschont.

[27] 58 311 hat mit den drei Bghw-Wagen der OSEF den Bahnhof Ebersbach verlassen und quert die Bautzener Straße (B 96).
[28] Die Übergabe Löbau – Zittau, die vorrangig Kohle und Diesel für die SOEG als Ladegut hat, wurde in Zeiten der Traktion durch die OSEF auch regelmäßig für die Überführung von Vereinsfahrzeugen genutzt. Am 29. Juli 2009 hatte 112 331 den Meßwagen 8 und den Schlafwagen (WLABme) am Haken. Dahinter hing ein einzelner „Emil“ (Es) mit Kohle.

Bf Ebersbach (Sachs) (km -0,28 EL / 13,42 OW / 98,49 RE)

Ebersbach war zunächst noch kein Knoten, denn das Schienennetz darum spann sich erst in den darauffolgenden Jahren:

  • 1. November 1873: Rumburg (heute Rumburk) – Ebersbach
  • 1. November 1874: Seifhennersdorf – Eibau – Ebersbach
  • 1. Mai 1875: Ebersbach – Sohland

Die Bahnhofsanlagen wirkten nach dem Zusammenbruch des Schienenverkehrs ab 1990 vollkommen überdimensioniert. Der große Rückbau erfolgte mit der Umstellung auf elektronische Stellwerkstechnik im Herbst 2008. Es blieben vier Hauptgleise und ein Nebengleis. Heute hat die Natur den Großteil des restlichen Gleisfeldes zurückerobert.

[29] Die 1948 von Škoda an die Tschechoslowakischen Staatsbahnen gelieferte 475.179 ist seit 1981 eine Museumslok und seit 2009 in Česká Lípa beheimatet. Im April 2022 lief die Kesselfrist ab. Am 14. Mai 2005 fuhr sie mit einem Sonderreisezug in Richtung Rumburk aus Ebersbach aus. Bis hierhin leistete 52 8080 Vorspann. Der Bahnhof besaß noch die alte Stellwerkstechnik, die im November 2008 abgelöst wurde. Links ragt der Wasserturm hervor.

Ausblick

Wenn eine Bahnstrecke in Sachsen mehr als zwei Jahrzehnte vom Verkehr befreit ist, bleibt das in der Regel auch so. Es gibt im Falle von ZL- und EL-Linie aber auch Argumente für ein wenig Optimismus:

  1. Es erfolgte bisher – 25 Jahre nach SPNV-Einstellung – kein Gleisrückbau bzw. eine Entwidmung. Selbst wenn man den Gleiskörper nach 25 Jahren Nichtnutzung im Normalfall weitgehend erneuern muss, die Gleise der ZL sind auch im stillgelegten Abschnitt in einem vergleichsweise guten Zustand. Auf längst abgebauten Trassen wächst hingegen erfahrungsgemäß gar kein Gleis mehr, zumal die Entwidmung meistens damit einhergeht.
  2. Die EL-Linie ist noch vollständig in Betrieb. Sie wird beim Verfassen dieses Beitrages sogar täglich von umgeleiteten Reisezügen genutzt.[1][23] Eine Wiederaufnahme des SPNV – mit Durchbindung nach Rumburk – wäre vergleichsweise leicht realisierbar.
  3. Die veränderte politische Grundstimmung im Deutschland der 2020er-Jahre, in welchem man sich Klima- und Umweltschutz mehr denn je ans Revers heftet. Vollmundige Parolen wie „mehr Güter auf die Schiene“ sind zwar schon mindestens 30 Jahre alt und entpuppten sich stets als leere Floskeln. Die aktuellen Herausforderungen zeitigen nun zumindest erste kleine Taten hin zu einer Verkehrswende, u. a. das Deutschlandticket. Ende 2022 gab auch die Sächsische Landesregierung ein klares Signal, indem im Doppelhaushalt 2023/24 28,6 Millionen Euro für die weitere „Planung für die vereinbarten Streckenreaktivierungen“ vorgesehen werden. Auf dieser Liste stehen auch die Streckenabschnitte Oberoderwitz – Niedercunnersdorf und Ebersbach – Löbau![a]
  4. Bürgerschaftliches Engagement vor Ort in Form des Vereins Pro Herrnhuter Bahn e.V., welcher sich seit 2018 insbesondere für eine Reaktivierung des Abschnittes Niedercunnersdorf – Herrnhut – Oberoderwitz in mehreren Stufen einsetzt. Die Vision des Vereins wird im verlinkten Dokument dargestellt: Konzept zum Erhalt und zur Reaktivierung der Eisenbahnstrecke zwischen Löbau und Zittau über Obercunnersdorf und Herrnhut
[30] Am Herrnhuter Bahnhof macht der Verein Pro Herrnhuter Bahn e.V. mit einer Schautafel auf sich aufmerksam.
[31] Das Heraustrennen der Gleise an einem Bahnübergang zwischen Herrnhut und Ruppersdorf seit Mitte 2023 ist kein gutes Zeichen. Zwar ist ein Wiedereinbau im Zuge einer Reaktivierung nicht ausgeschlossen, da es sich nicht um eine Bundesstraße handelt, erfahrungsgemäß währen solche Maßnahmen aber dauerhaft.
[32] Anlässlich des 175. Streckengeburtstages veranstaltete der Pro Herrnhuter Bahn e.V. gemeinsam mit zahlreichen Unterstützern am 10. Juni 2023 ein Bahnhofsfest in Niedercunnersdorf, das sehr gut von der Bevölkerung angenommen wurde. Die OSEF pendelten mit dem dampfbespannten Sonderzug zwischen Niedercunnersdorf und Löbau. 52 8141 hatte am 17. Oktober 1998 auch den letzten Sonderzug auf der Gesamtstrecke traktioniert. Anschließend erlosch auch ihr Feuer für rund zwei Jahrzehnte, ehe sie zu neuem Leben erweckt wurde. Vielleicht ein gutes Omen für die Strecke?

Abschließend bleibt nur zu hoffen, dass die Schienenverbindungen zwischen Zittau und Löbau in Zukunft wieder stärker ihrem ursprünglichen Zweck werden dienen können!

Abkürzungsverzeichnis

Abzw = Abzweigstelle
Anst = Anschlussstelle
Bf = Bahnhof
BHG = Bäuerliche Handelsgenossenschaft
Bk = Blockstelle
BR = (Lokomotiv-)Baureihe
BT = Betriebsteil
BÜ = Bahnübergang
ČD = České dráhy (Tschechische Staatsbahn)
DRE = Deutsche Regionaleisenbahn GmbH
EBB PRESS mbH = Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH
EG = (Bahnhofs-)Empfangsgebäude
EL = Strecke Ebersbach (Sachs) – Löbau (Sachs)
EÜ = Eisenbahnüberführung
EZMG = (russ.) Elektritscheskaja zentralisazija malych stanzij Germanii (sowjetische Stellwerksbauart zur Zentralisierung kleiner DR-Bahnhöfe)
GD = Strecke Görlitz – Dresden-Neustadt
GL = Strecke Großpostwitz – Löbau (Sachs)
HB = Strecke Herrnhut – Bernstadt (Oberlausitz)
Hp = Haltepunkt
Hst = Haltestelle
LKM = Lokomotivbau „Karl Marx“, Babelsberg
LR = Strecke Löbau (Sachs) – Radibor (Sachs)
LVG = Landesverkehrsgesellschaft Sachsen (1996-1999 Aufgabenträger im SPNV)
LVT = Leichtverbrennungstriebwagen; LVS = dazugehöriger Steuerwagen
MORA C = Marktorientiertes Angebot Cargo (2002-2004 umgesetztes Sanierungsprogramm der DB Cargo AG)
MWE = Strecke Mittelherwigsdorf (Sachs) – Varnsdorf – Eibau
OSEF = Ostsächsische Eisenbahnfreunde e.V.
OW = Strecke Oberoderwitz – Wilthen
RE = Strecke Rumburk – Ebersbach (Sachs)
SEM = Sächsisches Eisenbahnmuseum Chemnitz-Hilbersdorf e.V.
SOEG = Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft mbH
SPNV = Schienenpersonennahverkehr
TD = Strecke Taubenheim (Spree) – Dürrhennersdorf
VEB = Volkseigener Betrieb (Rechtsform in SBZ und DDR für Industrie- und Dienstleistungsbetriebe)
ZL = Strecke Zittau – Löbau (Sachs)

Quellenverzeichnis & Literaturhinweise

Berger, Thomas (2023): 1873 – 2023. 150 Jahre Eisenbahnstrecke Ebersbach – Löbau. Drebach: Eigenverlag.

Deutscher Modelleisenbahn-Verband der DDR, Bezirksvorstand Cottbus (Hrsg.) (1973): 1848 – 1973. Zur Geschichte der Löbau-Zittauer Eisenbahn anläßlich des 125-jährigen Jubiläums.

Fiegenbaum & Klee (2000): Abschied von der Schiene. Stillgelegte Bahnstrecken im Personenverkehr Deutschlands. 1998-1999. Stuttgart: transpress/Pietsch. S.92ff.

Fiegenbaum & Klee (2006): Abschied von der Schiene. Stillgelegte Bahnstrecken 2000-2005. Stuttgart: transpress/Pietsch. S.87ff.

Herbach: Sachsenschiene.de – Reichenberg – Zittau / Zittau – Löbau, zuletzt abgerufen am 26.08.2023.

Herbach: Sachsenschiene.de – Ebersbach – Löbau, zuletzt abgerufen am 26.08.2023.

Petrak (Hrsg.) (2006): Die Eisenbahnen in der sächsischen Oberlausitz. Eisenbahn-Bildarchiv – Band 19. Freiburg: EK.

Pro Herrnhuter Bahn e.V. (2023): 175 Jahre Löbau-Zittauer Eisenbahn – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Vision. Kottmar: PHB.

Rettig (2011): Eisenbahn im Dreiländereck. Ostsachsen (D)/Niederschlesien(PL)/Nordböhmen(CZ). Teil 2: Neben-, Klein- und Schmalspurbahnen, Bahnbetriebs- und Ausbesserungswerke, Bahnpost. Freiburg: EK. S.9ff.

Wußing & Wußing (2018): Mit Dampf durch die Oberlausitz. fotografiert von Arne und Frank Wußing. Zittau: gwz.

[3] 75 501 (eisenbahn-museumsfahrzeuge.de), zuletzt abgerufen am 23.08.2023.

[11] rangierdiesel.de – Portrait LKM 252268, zuletzt abgerufen am 25.08.2023.

[21] Zitierte DB-Pressemitteilung Erneuerung Viadukt Mittelherwigsdorf, 2012 – drehscheibe-online.de, zuletzt abgerufen am 23.08.2023.

[26] Klunst – Wikipedia, zuletzt abgerufen am 23.08.2023.

[28] Waggons – OSEF e.V., zuletzt abgerufen am 23.08.2023.

[a] Doppelhaushalt 2023/24 (gruene-fraktion-sachsen.de), zuletzt abgerufen am 26.08.2023.

Ein herzlicher Dank an Felix Bochmann [32] und Marko Jakob [26] für die zur Verfügung gestellten Aufnahmen.

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