125 Jahre BSg- und WC-Linie

Am 1. Dezember 1889 wurden die Strecken Grünstädtel – Buchholz und Walthersdorf – Obercrottendorf feierlich in Betrieb genommen. Der Streckenabschnitt Schwarzenberg – Grünstädtel ging bereits am 1. Juli 1889, zusammen mit der Schmalspurbahn Grünstädtel – Oberrittersgrün, in Betrieb. Eine direkte Schienenverbindung zwischen Schwarzenberg und Annaberg war schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Gespräch. Nicht zuletzt die schwierige Trassenführung ließ das Projekt aber noch Jahrzehnte ruhen. Der Nebenast nach Crottendorf (WC-Linie) wurde schließlich ebenfalls regelspurig ausgeführt und, genau wie die BSg, als sächsische Sekundärbahn in Betrieb genommen. 1900 kam mit der Strecke Zwönitz – Elterlein – Scheibenberg (ZS-Linie) eine dritte Zweigbahn hinzu. Der Bahnhof Schlettau wurde als „vorgelagerter Abzweigbahnhof“ für WC- und ZS-Linie zum Betriebsmittelpunkt.

Spätestens seit den frühen 1980er Jahren sind die Strecken überregional bekannt. Es wird kaum einen (in den 1980ern aktiven) Eisenbahnfotografen geben, der keine Aufnahme einer durch Crottendorf dampfenden 86 mit drei Bag-Wagen in seinem Archiv hat. Der Ansturm der Fotoapparate zum sechs Jahre währenden Dampf-Intermezzo zwischen Schlettau und Crottendorf ist legendär. Zum ersten offiziellen Dampfabschied 1977 war die Anteilnahme da noch wesentlich geringer. Auch der Gerüstpfeilerviadukt über das Seitental der Großen Mittweida zog die Eisenbahnfreunde seit jeher in seinen Bann und erlangte durch die zwischen 1983 und 1987 planmäßig mit BR 50/50.35 bespannten Containerzüge den Höhepunkt seiner Popularität.

In diesem Beitrag soll nicht minutiös die Geschichte der Strecke abgehandelt werden, auch sollen nicht die typischen Postkartenbilder gezeigt werden, welche ohnehin jeder kennt. Es folgt lediglich eine – wie immer – willkürlich zusammengestellte Bildauswahl (nähere Erläuterungen dazu in den Bildunterschriften).

[1] Die traurigen Reste der Einsatzstelle Annaberg-Buchholz sehen wir am 22.05.2009. Zwischen 1923 und 1966 ein eigenständiges Bahnbetriebswerk, seit 1998 endgültig brach liegend, Ende 2009 eingeebnet. 106 992 ist mit leeren Güterwagen in Richtung Schwarzenberg unterwegs. Im Vergleich zur Strecke nach Vejprty hat die BSg schon an Höhe gewonnen, allmählich klettert sie aus dem Sehmatal.
[2a] Der Bahnhof Walthersdorf (Erzgeb), wie er wohl am bekanntesten ist. Im Februar 2000 ist der Zustand der letzten 30 Jahre noch konserviert, wird allerdings vom Dornröschenschlaf überschattet. Zwischen 1998 und 2002 fuhr hier überhaupt nichts. Der Bahnsteigzugang über das Crottendorfer Gleis wurde mit einer urigen Schranke gesichert.
[2b] Noch im selben Jahr hat Claus Schlegel den Bahnhof übernommen und begann mit dem Ausbau zum Eisenbahnmuseum. Im Mai 2003 sehen wir einige Veränderungen: Empfangsgebäude und Güterschuppen erstrahlen teilweise in neuen Farben; ein Wagenkasten, ein (DDR-)Türanbau und Bäume wurden beseitigt und ein Güterwagen(gerippe) hat den Weg hierher gefunden. Für den Rückbau von Bahnsteig und Gleisen ist allerdings die DB verantwortlich. Die Crottendorfer Weiche liegt zu dem Zeitpunkt noch.
[2c] November 2005: Der Museumsbahnhof wurde ein Jahr zuvor feierlich eröffnet. Die Bahnsteigschranke steht nun wieder, leicht versetzt am Güterbodengleis. Der Güterwagen wurde restauriert, ebenso der verbliebene Wagenkasten am Güterschuppen. An Stelle des Bahnsteiges und des Crottendorfer Gleises wurde ein Wall aufgeschüttet. Ein umgeleiteter Güterzug aus Grünstädtel passiert die Szenerie. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Ensemble 2007 durch einen zweiten Wagon (Gepäckwagen Pwg pr 14) und 2009 durch einen kurzen Bahnsteig für die Erzgebirgische Aussichtsbahn (EAB) ergänzt worden ist.
[3] Begeben wir uns nun in Richtung Crottendorf. 2003-2007 wurde die Strecke endgültig abgebaut und in einen Radweg umgewandelt. Im Januar 1999 zeigt sich der Gleiskörper in Höhe der Walthersdorfer Einfahrt noch intakt.
[4] Kurz hinter der ersten Zwischenstation Walthersdorf (Erzgeb) Hp sehen wir die Dorfkirche. Zum Zeitpunkt der Aufnahme (September 2003) war der Gleisabbau schon teilweise vollzogen worden. Im Sommer 1997 hat man am Bahnübergang im Hintergrund erstmals Tatsachen geschaffen, indem die Spurrillen zugeteert wurden. Ironischerweise ist dies heute der allerletzte Schienenrest der WC-Linie.
[5] Legt man sämtliches Film- und Videomaterial, welches 86 1001, 1056 oder 1501 auf der WC-Linie zeigt, aneinander,… man würde wohl fast den Globus umrunden. In den 1960er Jahren hingegen hatten die Menschen andere Sorgen. Dampfloks waren in West wie Ost noch allgegenwärtig und das Wagenmaterial noch wesentlich abwechslungsreicher. 86 121 dampft im schönsten Nachmittagslicht der warmen Wintersonne durch Crottendorf. Am Haken hat sie die damalige Standardgarnitur aus Behelfspersonenwagen (MCi-43).
[6] Der Endpunkt Crottendorf ob Bf (früher: Obercrottendorf) im März 1999. Im Vordergrund steht die letzte Weichenlaterne, welche (noch) vom Vandalismus verschont blieb. Der letzte Zug ist bereits am 30.12.1996 abgefahren.
[7] Der obere Bahnhof bietet heute ein trauriges Bild (Zustand Mai 2012). Im Vergleich zu Bild 6 hat das Nadelbäumchen eine stattliche Größe erreicht.
[7a] Etwa die gleiche Perspektive auf einem H0-Modell, welches den Zustand der 1950/60er Jahre zeigt. Eine 86 erreicht den oberen Bahnhof, wieder mit MCi-Wagen. Das Empfangsgebäude hat noch keinen Dachgeschossausbau und trägt die typische Nasenuhr.
[8] Zurück auf die BSg in die jüngere Vergangenheit: Zwischen Schlettau und Walthersdorf „müht“ sich eine Schneeschleuder zusammen mit 293 023 (18.12.2010).
[9] Was früher die 86, war später die V100. Auch heute kann man sie regelmäßig vor Sonderzügen hier antreffen. Am 02.07.2013 ist 203 305 vor dem Schienenbusgespann 725/726 002 als Messzug nach Bärenstein (Staatsgrenze) unterwegs. Obgleich die BSg keine verkehrliche Bedeutung mehr besitzt, wird weiterhin viel investiert. So besitzt der Schlettauer Bahnhof beispielsweise seit 2009 Ausfahrsignale.
[10] Blick auf die Schlettauer Lokbehandlungsanlagen, welche vor allem für die Strecken nach Crottendorf und Zwönitz(-Stollberg) Bedeutung hatten. Die denkmalgeschützten Hochbauten wurden 2002-2004 abgerissen (Zustand Februar 2001). Der Lokschuppen beherbergte lange die Museumslok 24 004, zeitweise auch 64 007 und 86 1333.
[11] Ebenfalls im Februar 2001 sehen wir die Reste des Anschlusses „Agrochemisches Zentrum“ (LPG) im östlichen Schlettauer Bahnhofsbereich. Die Anschlussweiche wurde vermutlich mit der Oberbausanierung 1995 ausgebaut. Sollte jemand Fotos von diesem Anschluss besitzen, kann er sich gern an mich wenden.
[12] Der ehemalige Abzweigbahnhof Scheibenberg wurde 1994 aufgelöst und in einen Haltepunkt umgewandelt. Im August 2007 war VT 08 503 (613/913 603) auf Abschiedstour durch Deutschland und kam somit auch über die BSg.
[13] Zwischen Scheibenberg und Markersbach gibt es diesen Ausblick auf Schwarzbach und Elterlein. Am gegenüberliegenden Hang kann das geübte Auge noch den Trassenverlauf der ZS-Linie in Elterlein ausmachen. 112 565 zieht einen „Show-Gmp“ Richtung Schlettau (10.10.2010).
[14] 204 013 und 112 326/204 031 der PRESS ziehen einen langen Bauzug aus dem Zschopautal nach Schwarzenberg (06.04.2007).
[15] Kaum ein Fotoauge schenkte dem einzigen von 218 324 über die BSg gezogenen Reisezug Beachtung, schließlich war das Wetter schlecht. Wir sehen die interne Mitarbeiterausfahrt von DB Erzgebirgsbahn auf der kleinen Markersbacher Brücke (27.05.2010).
[16] Ein Bauzug wurde gerade im Bf Markersbach halbiert, nun geht es erleichtert weiter nach Annaberg-Buchholz unt Bf (28.07.2002). Als Zuglok fungiert die von Alstom angemietete 212 258.
[17] Die Baureihe 52.80 trägt nicht zu Unrecht den Spitznamen „Landplage“. Auf der BSg wurde sie erst ab 2004 zu einer, denn zuvor sah man diese Baureihe hier (fast) nie. Ostern’04 hatte die Leipziger 52 8154 die „Ehre“ die Ära der 52.80 einzuläuten, hier zwischen Raschau und Markersbach.
[18] In Raschau geht es in Stockwerkhöhe über die Dorfstraßen im Mittweidatal. 50 3648 dampft mit einer privaten Sonderfahrt nach Cranzahl (26.04.2008).
[19] Ein nachgestellter NVA-Transport am Vorsignal des Bf Grünstädtel (18.05.2007), die Glauchauer 118 770 muss als Zuglok herhalten.
[20] Der letzte zuverlässige Güterkunde ist ein Schrotthändler in Grünstädtel. Am 11.08.2000 gönnt sich das Personal (rechts, tlw. nicht zu sehen) eine Mittagspause im verwaisten Bahnhofsgelände.

Die WC-Linie ist längst Geschichte, die Zukunft der BSg gegenwärtig offen. Bleibt zu hoffen, dass diese landschaftlich reizvolle Schienenverbindung der Nachwelt erhalten bleibt!

Ein herzlicher Dank an Siegfried Bergelt für die zur Verfügung gestellten Aufnahmen.

© 2014 MBC

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